25. Todestag
von Peter Deutschmann
Sonnabend, 10. August 2024, 17.00 Uhr, an der evangelischen Kirche in Eschede.
Am 10. August jährt sich der Todestag von Peter Deutschmann zum 25. Mal. Das "Bündnis gegen Rechtsextremismus Eschede" und das "Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus" gestalten aus diesem Anlass eine Gedenkveranstaltung in Eschede. Treffpunkt ist um 17 Uhr an der evangelischen Kirche in Eschede. Dort liegt der Gedenkstein für Peter Deutschmann.
1999 wurde Peter Deutschmann am 9. August 1999, um ca. 01.30 Uhr, von zwei Escheder Neonazis in seiner Wohnung angegriffen und so verletzt, dass er in den Morgenstunden des 10. August 1999 seinen Verletzungen erlag. Der Angriff erfolgte auf einen arg- und wehrlosen Menschen. Die Angreifer traten auf ihn ein. Sein Kehlkopf wurde schwer verletzt. Die Leitung seines Telefons wurde aus der Wand gerissen, so dass er nicht telefonisch Hilfe alarmieren konnte. Als seine Nachbarn die Hilferufe hörten, alarmierten sie den Rettungsdienst.
Seid solidarisch mit Israel
Niedersächsischer Antisemitismus-Beauftragter referiert im Evangelischen Bildungszentrum Hermannsburg.
HERMANNSBURG. Sich gerade jetzt solidarisch zu zeigen mit Israel, lautete die Kernbotschaft des Niedersächsischen Antisemitismusbeauftragten und Theologen Prof. Dr. Gerhard Wegner. Der Arbeitskreis Christen und Juden in Hermannsburg hatte unter Leitung des Vorsitzenden Albrecht Schack den sogenannten „Israel-Sonntag“, der im Kalender der Evangelischen Kirche in Deutschland am 10. Sonntag nach Trinitatis begangen wird, zum Anlass genommen, den ehrenamtlich tätigen Beauftragten der Niedersächsischen Landesregierung einzuladen, um zum Thema „Kirche und Synagoge – wie verhält sich unsere Kirche zum Antisemitismus heute?“ zu referieren.
Vor rund 50 Interessierten arbeitete Gerhard Wegner im Evangelischen Bildungszentrum Hermannsburg heraus, wie zu unterscheiden sei zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus: „Natürlich darf man Israel kritisieren, nur diese Kritik darf sich nicht auf alle Jüdinnen und Juden beziehen.“ Tatsächlich werde die existenzgefährdende derzeitige Situation nicht wirklich anerkannt und letztlich von jüdischen Menschen Passivität und Toleranz gegenüber ihren Mördern eingefordert – dieses sei ein altes antisemitisches Stereotyp.
Wer sich kritisch äußern wolle, der solle dieses aus Liebe zu Israel tun. Oft werde Kritik an der Politik Israels allerdings nur als Alibi benutzt, um die Existenz des Staates Israel in Frage zu stellen. Wegner übt das Amt des Antisemitismusbeauftragten seit Februar 2023 aus. „Ich habe viele Erfahrungen gemacht und möchte diese mit Ihnen teilen“, berichtete er. Nach dem 7. Oktober 203 sei Solidarität mit Israel nicht mehr so selbstverständlich wie davor. Als Beispiele für das Infragestellen allen Jüdischen nannte er verbale Angriffe auf jüdische Sportler während der Olympischen Spiele in Paris, die Forderung, Israel vom diesjährigen Eurovision Song Contest in Schweden auszuschließen, oder die Täter-Opfer-Umkehr in hiesigen politischen Debatten.
Auch die Mitglieder des veranstaltenden Arbeitskreises nehmen in ihrem Umfeld, auch in Kreisen der Kirche, antisemitische Untertöne wahr: „Bei all unseren Bemühungen um ein gutes, der Würde der Juden unter uns angemessenes Verhältnis haben wir oft den Eindruck, dass bei vielen Menschen, auch in unserer Kirche, - meist unbewusst - die Prägungen noch nachwirken, die frühere Generationen in ihren Gefühlen gegenüber den Juden auf verschiedene Weise aufgedrückt bekamen“, sagte Albrecht Schack in seiner Begrüßungsansprache.
Dagegen werde heute in der Kunst und auch in einigen Bereichen der theologischen Literatur versucht, bewusst zu machen, „wie viel Gemeinsames Juden- und Christentum haben“. Als Anschauungsbeispiel fanden alle Gäste auf ihren Plätzen eine Postkarte vor, die die Skulptur „Synagoga and Ecclesia In Our Time“ von Joshua Koffman aus dem Jahr 2015 abbildet, eine Vision für die Begegnung von Juden und Christen in Zukunft. Zwei gleichaussehende Frauen sitzen nebeneinander, beide halten Heilige Schriften in Händen, die eine die Thora, die andere die Bibel, geschaut wird nicht auf das eigene Dokument, die Blicke der Christin richten sich auf die Thora, die der Jüdin gen Bibel.
„Nehmen Sie die Abbildung dieser Skulptur mit, tragen Sie sie in Ihre Häuser und Freundeskreise und sprechen Sie darüber“, gab Albrecht Schack den Gästen mit auf den Weg.
Anke Schlicht
Wählen gehen für eine offene,
tolerante und gerechte Gesellschaft
Stellungnahme der Initiative „Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus" Niedersachsen (IKDR) zur Europawahl 2024.
Mit der Mehrheit der Menschen in Europa stehen wir für eine offene, tolerante und gerechte Gesellschaft, in der jeder Mensch ohne Angst verschieden sein kann. Deshalb können wir uns als Christ:innen nicht neutral verhalten, wenn Menschen ausgegrenzt, verachtet, bedroht, verfolgt oder getötet werden.
In fast allen EU-Ländern gewinnen Rechtspopulist:innen und Rechtsextremist:innen an Zustimmung und Macht. In vielen Ländern Europas sind rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien in den nationalen Parlamenten vertreten. Die IKDR nimmt diese Entwicklung mit großer Sorge wahr und ruft alle Wähler:innen dazu auf, bei der Europawahl im Juni 2024 ein klares Signal für ein demokratisches, solidarisches und gerechtes Europa zu setzen.
Unerträglich sind für uns die antidemokratischen und menschenfeindlichen Ansichten, Argumente und Aussagen der rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Parteien. Sie vergiften das gesellschaftliche Klima und bereiten den Nährboden für Angriffe, die über verbale Attacken hinausgehen.
Als Christ:innen setzen wir rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Kräften in klares Nein entgegen. Menschenverachtende Haltungen und Äußerungen sind mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens nicht vereinbar. Was für die Mehrheit von uns einen sehr hohen Wert hat, wie die Unverletzbarkeit der Menschenwürde, die Garantie der Menschenrechte, die Gleichberechtigung aller Menschen, ihre Gleichstellung und Gleichbehandlung wird von Rechtsextremist:innen mit Füßen getreten.
Die AfD ist bereits ein Sammelbecken der "Neuen Rechten" in Deutschland und gut vernetzt mit der extremen Rechten in Europa. Sie wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet und gilt in Teilen als gesichert rechtsextrem.
Die IKDR ruft dazu auf, bei der anstehenden Europawahl ausschließlich Parteien zu wählen, die sich für eine offene Gesellschaft der Vielfalt und ein gerechtes, demokratisches Gemeinwesen einsetzen.
Millionen von Bürger:innen in Deutschland und Europa profitieren von der Europäischen Union. Die Zusammenarbeit in vielen Politikfeldern sichert schon seit Jahrzehnten den innereuropäischen Frieden. Offene Grenzen ermöglichen Studium, Arbeit und Urlaub innerhalb Europas.
Unsere Demokratie ist in Gefahr. Deshalb setzen wir uns entschlossen für eine offene, vielfältige und solidarische Gesellschaft ein. Hunderttausende haben sich in den vergangenen Wochen dem Rechtsruck in Deutschland und Europa entgegengestellt. Dieses Engagement muss weitergehen. Schweigen ist keine Option mehr. Die Zeit zu handeln ist jetzt, denn bei den 2024 anstehenden Wahlen in Deutschland und Europa steht viel auf dem Spiel.
Einstimmig verabschiedet von der Vollversammlung der IKDR am 17.02.2024
Demo in Eschede
mit Dr. Margot Käßmann
Demo gegen rechtsextreme Sonnwendfeier in Eschede am
Samstag, dem 22. Juni 2024, ab 14.00 Uhr, vorm Bahnhof in Eschede.
Ansprachen
- Dr. Margot Käßmann, frühere Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende (Hannover)
- Heinrich Lange, Bürgermeister in Eschede
- Angela Hohmann, Mitglied des Deutschen Bundestages (Celle)
- Dr. Matthias Richter-Steinke, DGB-Geschäftsführer Region Nord-Ost-Niedersachsen (Lüneburg)
Bereits seit drei Jahrzehnten finden auf dem früheren Hof des NPD-Aktivisten, Joachim Nahtz, große Neonazi-Treffen statt. Besonders die „Sonnwendfeiern“ und das „Erntefest“ haben eine lange Tradition. Die Neonazis bezeichnen diese Feste als „Brauchtumsfeiern“. Ihr eigentliches Ziel ist es aber, auf diesen Zusammenkünften der norddeutschen Neonazi-Szene Kontakte zu pflegen, Termine abzusprechen und neue Aktionen vorzubereiten. Somit sind diese „Brauchtumsfeiern“ alles andere als harmlos.
Vor fünf Jahren hat die NPD Niedersachsens den Hof gekauft. Die Treffen auf dem Hof haben dadurch eine neue Qualität erhalten. Das ist für uns ein Grund mehr, jedes Mal, wenn Rechtsextreme dort zusammenkommen, vor dem Hof zu demonstrieren, vor allem gegen die menschenverachtende Ideologie der extremen Rechten.
Erstmals haben sich in diesem Jahr Rechtsextreme aus mehreren europäischen Ländern auf dem Hof Eschede getroffen. Laut Veranstalter nahmen insgesamt 115 Personen aus Deutschland, Spanien, Frankreich, England, Ungarn, Serbien, Griechenland und Bulgarien an dem europäischen Zeltlager teil. Das Treffen diente den Rechtsextremen als Auftakt zum Europawahlkampf 2024.
Unsere Demonstrationen gegen die Treffen auf dem NPD-Hof werden von einer politisch breit aufgestellten, vielfältigen, aber entschlossenen Allianz getragen werden. Zu diesem breiten Spektrum gehören Gewerkschafter und Kirchenleute, Angehörige verschiedenster Parteien, Initiativgruppen gegen Rechtsextremismus, auch „Omas gegen Rechts“ und Leute aus dem „Bunten Haus“ Celle. Wir repräsentieren auf unseren Demos eine große Spannweite der Gesellschaft. Es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft rechtsextremes Gedankengut unmissverständlich ablehnt.
Route
- Unsere Demonstration beginnt um 14.00 Uhr mit einer Kundgebung vor dem Bahnhof in Eschede. Ansprache: Dr. Margot Käßmann
- Anschließend führt der Demonstrationszug zur Kreuzung "Zum Finkenberg / Am Dornbusch" auf der Hermannsburger Straße. Dort findet eine Zwischenkundgebung statt. Ansprache: Angela Hohmann, MdB
- Weiter geht’s auf dem Feldweg "Zum Finkenberg" bis zur NPD-Hofstelle. In Sicht- und Hörweite werden wir dort unseren Protest und Unmut äußern, wo er auch hingehört. Ansprache: Dr. Matthias Richter-Steinke (DGB)
- Danach geht es zurück zum Bahnhof. Dort endet unsere Demo um ca. 17.00 Uhr.
Vortrag über Jüdische Gemeinschaft in Deutschland gut besucht
Referent Konstantin Seidler (links) mit Dr. Albrecht Schack vom SPD-Ortsverein und Pastor Wilfried Manneke (rechts).
Foto: Anke Schlicht
HERMANNSBURG. Es ist nur eine Bemerkung am Rande seines überaus informativen und kurzweilig vorgetragenen Referates, aber sie belegt eine Kernaussage des Mitglieds der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover und spannt gleichzeitig einen direkten Bogen zu den Veranstaltern. „Als Sozialdemokrat würde ich nie Benjamin Netanjahu wählen“, sagt der Sozialwissenschaftler Konstantin Seidler vor rund 100 Gästen, die der Einladung des SPD-Ortsvereins Südheide und des Evangelischen Bildungszentrums Hermannsburg gefolgt waren, um den Holocaust-Gedenktag zu begehen.
„Dieser hat eine neue Dimension, ja, eine beklemmende Aktualität erhalten“, betont Dr. Albrecht Schack vor dem Hintergrund der Geschehnisse am 7. Oktober des vergangenen Jahres in seiner Begrüßungsansprache im Namen des Vorbereitungskreises sowie der überparteilichen Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“. Wie lebt es sich heutzutage in Deutschland als jüdischer Mitbürger? Diese Fragestellung stellten die Organisatoren in den Mittelpunkt ihrer Veranstaltung mit der Überschrift „Die Jüdische Gemeinschaft in Deutschland zwischen Erinnerung und Gegenwart“. Konstantin Seidler, der auch als Lehrbeauftragter an der Universität Hannover tätig ist, gab Antworten, die den durchschnittlichen, sich gar nicht so sehr unterscheidenden Alltag einer jungen jüdischen zu einer nicht-jüdischen Familie und gleichzeitig den Wunsch nach noch mehr Normalität in den Fokus stellten.
Schwierigkeiten im Zusammenleben bereiteten die Schablonen in den Köpfen der Menschen, mit denen das jüdische Leben in Deutschland betrachtet werde. „Religion, die Shoah und Israel, mit diesen drei Begriffen werden wir in Gesprächen in Verbindung gebracht.“ Insofern sei er „alltäglich interkulturell und interreligiös unterwegs“. „Deutsch und jüdisch zu sein, ist kein Widerspruch!“, betont der Sozialwissenschaftler und Vater von zwei Söhnen. Die Shoah sei nicht originär jüdisch, sondern deutsch, im deutsch-jüdischen Bewusstsein spiele sie eine große Rolle, aber die Erinnerungskultur dürfe nicht dazu führen, dass das Leben der Gegenwart überlagert werde von geprägten Sichtweisen wie jüdische Menschen als Opfer, als nicht-deutsch, als Verfolgte, die nicht geduldet wurden. „Die jüdischen Gemeinschaften bestehen zu 90 Prozent aus Mitgliedern mit Migrationshintergrund in der Folge des Zerfalls der Sowjetunion und aktuell des Ukraine-Krieges“, erläutert der Wissenschaftler. „Die können Ihnen mehr über den Großvater in der Roten Armee als über die Shoah erzählen.“
Seidler wirbt dafür, mit den vorherrschenden Stereotypen zu brechen, sieht deren sozialpsychologische Auswirkungen, besonders auf die jungen Leute, mit Sorge und kritisiert das in den Medien gezeichnete Bild als unverhältnismäßig: „Das individuelle Leben ist völlig anders.“Als diese Aussage getroffen wird, ist die Fragestunde in einer Atmosphäre, die der Referent als sehr angenehm empfindet, wie er im Nachgang anmerkt, bereits in vollem Gange. DasInteresse der Zuhörerschaft ist so groß, dass der zeitliche Rahmen überschritten werden würde. Pastor Wilfried Manneke bat um Verständnis. Für eine Antwort, die viel über Konstantin Seidlers Selbstverständnis preisgibt, reichte die Zeit noch. Was er sich denn erhoffe von den Anwesenden, welche Botschaft er habe, sagte er: „Wir sind Niedersachsen!“
Text: Anke Schlicht