Neonazis besetzen das „Landhotel Gerhus“
Anwohner organisieren tägliche Mahnwachen gegen die Besetzung. Am ersten Tag waren es 12 Demonstranten, am siebten Tag schon 350.
Auf Anweisung des Hamburger Rechtsanwalts und Bundesvize der NPD, Jürgen Rieger, besetzten Mitglieder der Neonazi-Kameradschaft 73 aus Celle 2009 das „Landhotel Gerhus“ bei Faßberg. Sie hatten die Schlösser aufgebohrt und das Gebäude gesetzeswidrig eingenommen. Rieger wollte aus dem Hotel mit 50 Zimmern und 200 Betten ein Schulungszentrum für Neonazis machen und den angrenzenden Campingplatz als Lagerplatz der rechtsextremen Jugend nutzen. Es sollte eine Neuauflage von „Hetendorf 13“ werden. Im benachbarten Hetendorf, nur 14 km entfernt, hatte Rieger von 1978 - 1998 das größte Neonazi-Zentrum im deutschsprachigen Raum betrieben. Es hatte 300 Betten und war auch Zentrum der Wiking-Jugend, eine Nachfolge-Organisation der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel. 1998 hat das Land Niedersachsen "Hetendorf 13" wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen.
Sie können sich vorstellen, welch ein Aufschrei die Nachricht ausgelöst hat, dass Rieger erneut ein Neonazi-Zentrum in unserer Region aufbauen wollte.
Anna Jander und Klaus Jordan wohnten ganz in der Nähe des Landhotels Gerhus. Sie ergriffen die Initiative und organisierten den Protest gegen die Besetzung. Täglich versammelten wir uns in der Mittagszeit zu Mahnwachen vor dem Hotel. Am ersten Tag waren wir 12 Personen, am siebten Tag schon 350. Am zehnten Tag ordnete das Landgericht Lüneburg an, dass die Neonazis das Hotel sofort räumen müssten. Der Gerichtsvollzieher gab den Besetzern 30 Minuten, das Gebäude zu verlassen. Wir blieben, bis der letzte Nazi das Hotel verlassen hatte. Anschließend feierten auf dem Stoppelfeld gegenüber des Hotels.
Schon am folgenden Tag wurde im Internet die erste heftige Drohung gegen uns ausgesprochen. Die Zwangsräumung des Landhotels hatte die Neonazis wutentbrannt aus der Reserve gelockt. Die Anfeindungen gegen uns nahmen von da an enorm zu, vor unseren privaten Haustüren, per Mail, per Post, im Internet.
Die Situation eskalierte noch mehr, als Jürgen Rieger zwei Monate später auf dem NPD-Parteitag in Berlin plötzlich und unerwartet an den Folgen eines Schlaganfalls verstarb. Die Rechtsextremen konnten das „Landhotel Gerhus“ nämlich jetzt nicht mehr ersteigern. Rieger hatte weit über € 1,2 Millionen für diese Schrottimmobilie geboten. Niemand außer Rieger hatte aber Zugriff auf das Geld.
Die Versteigerung fand am 16. Dezember 2009 statt. Das Hotel wurde für € 500.000 an Frau Brigitte Friedrich aus Celle versteigert, die daraus ein Heim für Suchtkranke gemacht hat.
Die Anfeindungen, Einschüchterungsversuche und Attacken gegen uns hielten noch lange an. Der Höhepunkt war im Dezember 2011 ein Brandanschlag auf unser Pfarrhaus in Unterlüß. Auch auf das Haus von Anna Jander und Klaus Jordan in Niederohe wurde in der gleichen Nacht ein Molotowcocktail geworfen. Die Wut der Nazis traf auch weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Wilfried Manneke