Neonazi-Zentrum Hetendorf 13
Inhaltsverzeichnis
- Neonazi-Treffpunkt Hetendorf 13
- Völkisch-neuheidnische Weltanschauungsgruppen
- Hetendorfer Tagungswoche
- Jürgen Rieger - Drahtzieher und Hintermann
- Die Nationalistische Front
- Wiking-Jugend
Neonazi-Treffpunkt Hetendorf 13
Juni 1997
Hetendorf ist ein kleiner Ort in der Lüneburger Heide. Er liegt im nördlichen Teil des Landkreises Celle in der Gemeinde Hermannsburg und zählt um die 200 Einwohner. Das Ortsbild wird überwiegend von der Landwirtschaft geprägt.
Seit 1979 ist das Anwesen Hetendorf Haus Nr. 13 im Besitz rechtsextremistischer Gruppen. Früher beherbergten die vier Gebäude am Ortsrand von Hetendorf einmal ein Kinderheim der Celler Lobetalarbeit, die es aber aufgrund des Manöverlärms der naheliegenden Truppenübungsplätze für Therapienzwecke als ungeeignet ansah.
Der „Freundeskreis Filmkunst (FFK)" erwarb das Gelände 1979 vom Bundesvermögensamt Soltau. Die Mitglieder des FFK sind zumeist leicht ergraute Cineasten, die den Nationalsozialismus teilweise noch selbst miterlebten und heute bei ihren Gruppenabenden mit entsprechendem Filmgut die alten Zeiten wiederaufleben lassen. Mitte der 80er Jahre gelangte die „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GffAEV)“ durch eine Erbschaft an ein Drittel des Anwesens. Die so wissenschaftlich anmutende Gesellschaft mit dem schwierigen Namen ist nichts weiter als ein Zusammenschluss rechtsradikal denkender Ärzte, Juristen und Professoren, die pseudowissenschaftlich die Ungleichheit der Menschenrassen und die Überlegenheit des „nordischen Menschen" zu begründen suchen. FFK und GfbAEV benutzten ihr Zentrum Hetendorf 13 für eigene Tagungen und stellten es zudem zahlreichen anderen gleichgesinnten Gruppierungen zur Verfügung. Für die laufende Unterhaltung des Zentrums sorgt bis heute das betagte Hausmeisterehepaar Ilse und Otto Koch, beides alte NPD-Anhänger.
1992 änderten sich die Besitzverhältnisse, wahrscheinlich aufgrund steuerlicher und juristischer Überlegungen. Träger der Anlage in Hetendorf wurde nun ein eigens für diesen Zweck gegründeter „HeideHeim e.V." in Hamburg. Er sieht das Anwesen in Hetendorf laut Satzung als „Einrichtung aller Kultur- und Jugendveranstaltungen des rechten Lagers“ an. Gleichzeitig wurde in Buchholz/Niedersachsen ein namensähnlicher „Heideheim e.V." aus der Taufe gehoben, dessen Aufgabe es ist, den finanziellen Hintergrund des Tagungszentrums zu gewährleisten, indem Förderer des Projekts gewonnen werden sollen. Laut niedersächsischem Verfassungsschutzbericht von 1993 ist der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger maßgebliches Vorstandsmitglied" in beiden Vereinen. Rieger ist zudem Vorsitzender der GfbAEV und Mitglied des FFK. Er ist es, der die Aktivitäten in Hetendorf 13 „maßgeblich steuert" (Niedersächsischer Verfassungsschutzbericht 1995 - siehe hierzu auch Artikel „Jürgen Rieger - Drahtzieher und Hintermann").
1990 hatte er noch versucht, den „Stützpunkt Hetendorf“ zu erweitern. Für das Haus Nr. 47 in Hetendorf, das damals zur Versteigerung stand, gab er als Vorsitzender der GfbAEV mit 312.000 DM das Höchstgebot ab. Doch aufgrund starker Proteste der Hetendorfer Bevölkerung erhielt trotz des niedrigeren Gebots ein Architekt aus dem Dorf den Zuschlag. Rieger rächte sich mit Hetzschreiben, die er von Getreuen in alle Briefkästen stecken ließ.
Die jeweiligen Besitzervereine stellten das Hetendorfer Gelände immer wieder anderen rechten Gruppierungen zur Verfügung. Und das ländlich-abgeschiedene Heide-Heim erfreute sich mit seinen 7000qm Fläche und den für rund 300 Personen größter Beliebtheit. Gäste aus der gesamten Bundesrepublik und teilweise sogar aus dem europäischen Ausland reisten gleich zu hunderten an, wenn Treffen in Hetendorf angesagt waren. So galt das Anwesen mit der Nummer 13 lange Zeit als eines der bedeutendsten rechtsextremistischen Zentren in der Bundesrepublik. 1994 stellte denn auch der niedersächsische Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht fest: „Die Bedeutung der Tagungsstätte in Hetendorf lag in der Vergangenheit darin, dass sich hier Vernetzungen der rechtsextremistischen Szene in Deutschland bildeten". Der Sprecher der Behörde, Hans Rüdiger Hesse, sagte 1996 darüber hinaus, dass „die Bedeutung von Hetendorf 13 in der Vergangenheit weit über den norddeutschen Raum hinausging". Da eine vollständige Auflistung der Gäste des Heide-Heimes den Rahmen dieser Broschüre sprengen würde, sollen im Folgenden Gruppierungen kurz vorgestellt werden, die das Geschehen in Hetendorf lange Zeit prägten.
Quelle: Hetendorf 13 - Rechtsextremistisches "Heide-Heim" und
Schulungszentrum; Informations- und Pressemappe anlässlich der "Siebten Hetendorfer Tagungswoche"; herausgegeben vom Hermannsburger Arbeitskreis gegen Hetendorf 13; Hermannsburg / Hetendorf, Juni 1997.
Völkisch-neuheidnische
Weltanschauungsgruppen
Juni 1997
Die völkisch-neuheidnischen Gruppen stehen nur selten in der Öffentlichkeit und geben sich eher "unspektakulären Vergnügen" wie Sonnwendfeiern und Vorträgen über Germanentum hin. Unter ihnen ist in Bezug auf die Aktivitäten in Hetendorf die "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" hervorzuheben. Ihr Vorsitzender ist der beim Thema Hetendorf 13 unvermeidliche, Jürgen Rieger, ein bundesweit bekannter Rechtsextremist und Funktionär mehrerer neonazistischer Gruppierungen (siehe hierzu Artikel "Jürgen Rieger - Drahtzieher und Hintermann"). Die Artgemeinschaft wurde 1951 gegründet. Sie vereinigte sich 1965 mit der 'Nordischen Glaubensgemeinschaft e.V.", deren Wurzeln bis ins Jahr 1927 zurückgehen. Die Grundwerte der Artgläubigen sind im "Artbekennmis" niedergelegt, dessen erste Fassung der "Führerrat" der "Nordischen Glaubensgemeinschaft" bereits am 14.09.1933 (!) verabschiedete. Das "Artbekenntnis" besteht aus zvölf sogenannten 'Küren". Hier ein Auszug:
- Küre acht: "Unser Wille wird durch unser Wesen bestimmt. Es wird durch Erbanlage und Umwelt, Prägung und Erziehung geformt. Wir bekennen uns zur Wertung des Menschen nach Haltung, Leistung und Bewährung.“
Eine Art "praktischen Lebensleitfaden" stellt zudem das "Sittengesetz unserer Art" dar. Rieger schreibt darüber in der Grundsatzschrift "Der Glaube unserer Art":
- „Wir haben dann ... das "Sittengesetz unserer Art" geschaffen, das das ausdrückt, was unsere heidnischen Vorfahren als richtungsgebend für ihr Leben empfanden, und was bei Wegkratzen der christlichen Tünche bei nordischen Menschen noch heute zum Vorschein kommt."
Das "Sittengesetz" beinhaltet u.a. folgende "Küren":
- Küre zwei: " Das Sittengesetz in uns gebietet Tapferkeit und Mut in jeder Lage, Kühnheit und Wehrhaftigkeit bis zur Todesverachtung gegen jeden Feind von Familie, Sippe, Land, Volk, germanischer Art und germanischem Glauben.“
- Küre 17: " Das Sittengesetz in uns gebietet Gefolgschaft dem besseren Führer, mit Recht und Pflicht zu abweichendem Rat, nach bestem Wissen und Gewissen."
- Küre 19: " Das Sittengesetz in uns gebietet gleichgeartete Gattenwahl, die Gewähr für gleichgeartete Kinder."
Kennzeichnend für die Artgemeinschaft ist neben Rassismus, einem hierarchischen Führerprinzip und der Ideologie von der Überlegenheit des "nordischen Menschen" zudem eine aggressiv-antichristliche Ausrichtung. So wird in der Schrift "Die gewaltsame Christianisierung" konstatiert, das Christentum sei "dem deutschen Wesen entgegengesetzt". Behauptet wird, daß die christliche Lehre den "germanischen Vorfahren" gewaltsam aufgezwungen worden sei, was zum bis heute andauernden Identitätsverlust des "nordischen Menschen" geführt haben soll.
Im Vereinsorgan der Artgemeinschaft, der "Nordischen Zeitung", die der Schriftleitung von Rieger unterliegt, wird denn auch regelmäßig gegen christliche Einrichtungen Hetze betrieben, unter der Rubrik "Neues vom alten Feind". In der Ausgabe zwei der "Nordischen Zeitung" aus dem Jahre 1995 war in einem Artikel über die "Stemsingeraktion" der katholischen Kirche zu lesen:
"Die Spenden in diesem Jahr sollen dafür verwendet werden, um Brunnen in Mosambik zu bohren, damit der enorme Bevölkerungsüberschuß in diesem afrikanischen Lande noch größer wird (Anmerkung: in zwanzig Jahren haben wir die dann als Asylanten hier).“
Solch primitiv-rassistische Ausfälle machen die Ausrichtung der Artgläubigen, die sich nach außen gern als unpolitisch darstellen, klar. So überrascht es nicht, dass nach dem Verbot der militant-neonazistischen „Nationalistischen Front" viele ehemalige Mitglieder Unterschlupf bei der Artgemeinschaft suchten.
Die Altgemeinschaft ist es auch, die maßgeblich die Aktivitäten der „Hetendorfer Tagungswoche" bestimmt. Neben ihr laden allerdings noch weitere neuheidnisch-rassistische Organisationen zur „Tagungswoche" ein, so der „Nordische Ring e.V.." und die „Northern League".
1994 fand außerdem auf dem Hetendorfer Gelände der sog. „Hemannstag" des „Bundes der Goden" statt. Auch die Goden sind eine neuheidnisch-völkische Sekte, die „herrenmenschelnden" Vorstellungen anhängen. Teilnehmer des Treffens in Hetendorf 13 war u.a. der ehemalige Rechtsterrorist Manfred Roeder, der 1982 aufgrund von Anschlägen seiner „Deutschen Aktionsgruppen" auf Asylbewerberheime, bei denen 1980 zwei Vietnamesen ums Leben kamen, zu 13 Jahren Haft verurteilt worden war. Die personellen Verflechtungen von neuheidnischen Sekten und militant-rechtsextremistischen Gruppierungen sind teilweise fließend.
Quelle: Hetendorf 13 - Rechtsextremistisches "Heide-Heim" und
Schulungszentrum; Informations- und Pressemappe anlässlich der "Siebten Hetendorfer Tagungswoche"; herausgegeben vom Hermannsburger Arbeitskreis gegen Hetendorf 13; Hermannsburg / Hetendorf, Juni 1997.
Hetendorfer Tagungswoche
Juni 1997
Die „Erste Hetendorfer Tagungswoche" fand im Jahre 1991 statt. Sie ging damals aus dem offenbar recht erfolgreich verlaufenen Gemeinschaftstag der „Artgemeinschaft" hervor, der 1990 in Hetendorf stattgefunden hatte.
Die „Tagungswoche“ ist heute die letzte regelmäßig stattfindende Veranstaltung im Hetendorfer „Heide Heim". Ihr Programm beinhaltet zum größten Teil Vorträge, deren Themen sich meistens für den Laien unverdächtig bis harmlos darstellen. Doch bei genauerem Hinsehen verbirgt sich dahinter dieselbe menschenfeindliche Ideologie, die auch in der Vergangenheit für Treffen in Hetendorf 13 charakteristisch war. Mehr noch, es liegen sowohl bei den Themen als auch bei den Referenten direkte Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene vor. Geboten wird ein „Mischmasch" aus mythologisch angehauchten, vermeintlich historischen und volkstümelnden Themen, aber auch Vorträge, die den Nationalsozialismus verherrlichen. Die veranstaltenden Gruppierungen der „Tagungswoche" waren im vergangenen Jahr:
- die „Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft e.V." (nähere Erläuterungen zu ihr finden Sie im Artikel „Völkisch-neuheidnische Weltanschauungsgruppen")
- das „Familienwerk e.V."
- die „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung"
- (laut Verfassungsschutzbericht 1988 publiziert sie "rassistische, insbesondere ausländerfeindliche Thesen“. Nach „Rororo-Handbuch Rechtsextremismus" soll sie etwa 100 Mitglieder haben, "meist Ärzte, Anthropologen und Juristen". Vorsitzender ist seit 1974 Jürgen Rieger)
- der „Heide-Heim e.V." (es handelt sich um den Hamburger Trägerverein von Hetendorf 13)
- der „Heinrich-Anacker-Kreis" (ein kleiner Theoriezirkel von Anhängern des gleichnamigen Schriftstellers)
- der „Nordische Ring e.V." und seine europäische Schwesterorganisation „Northern League"
- (der „Nordische Ring" ist ein Theoriezirkel mit Sitz in Schleswig-Holstein, der sich gegen „Rassenvermischung" und „Überfremdung" ausspricht. Über die „Northern League" bestehen Kontakte zu gleichgesinnten Gruppierungen in den Benelux-Staaten, Großbritannien und den USA).
Anhand von Erläuterungen zu einigen Vortragsthemen und Referenten der letzten Jahre soll nun gezeigt werden, dass die „Tagungswoche" alles andere ist als ein harmloses Treffen von „Fans germanischer Geschichte":
Auf der „Sechsten Tagungswoche“ referierte Wolfgang Fachmann zum Thema „Jahrgang 1929". Dieser in rechten Kreisen geflügelte Begriff beschreibt die Generation, die aufgrund ihres Alters die erste war, die das nationalsozialistische Geflecht von Jugendorganisationen vollends durchlaufen musste, die also von Anfang an in der NS-Ideologie geschult wurden.
Auf der „Fünften Hetendorfer Tagungswoche" 1995 berichtete Gertrud Herr über „Inhaltsreiche Jahre". Sie ist Autorin des gleichnamigen Buches mit dem Untertitel: „Aus dem Leben einer BdM-Führerin" (Bund deutscher Mädel - NS-Jugendorganisation).
Karl Bassler referierte 1993 zum Thema „Die Zerstörung des deutschen Volkes durch die BRD-Ausländerpolitik" . 1994 hielt er einen Vortrag zum Thema „Die Kosten der Ausländer".
Ein fester Bestandteil jeder „Tagungswoche" ist die „Ehrung kinderreicher Mütter", die zweifelsohne an die Verleihung des „Mutterkreuzes" in der NS-Zeit anknüpfen soll.
Dass während der „Tagungswoche" nicht nur über vermeintlich unpolitische Themen gesprochen wird, dürfte nun erwiesen sein. Interessant sind ebenfalls die Verbindungen einiger Referenten und Teilnehmer, die in das gesamte rechte Spektrum reichen:
Mehrfacher Referent war beispielsweise Wolfgang Juchem. Juchem ist Gründungsmitglied der „Deutschen Volksunion - Liste D" und Vorsitzender der „Aktion freies Deutschland". Beim „Rudolf-Hess-Gedenkmarsch" 1992 trat er als Redner auf. In seinem Redebeitrag vertrat er damals die Ansicht, der Hitler-Stellvertreter Hess sei „wie ein leuchtender Stern Wegweiser für ein besseres Menschengeschlecht " gewesen.
1995 hielt Dr. Rolf Kosiek einen Vortrag zum Thema „Die Meinungsfreiheit in den Wissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der Anthropologie". Kosiek ist ehemaliger Landesvorsitzender der NPD Baden-Württemberg und Vorsitzender der „Gesellschaft für freie Publizistik", der laut Bundesverfassungsschutzbericht 1995 „größten rechtsextremistischen Kulturvereinigung". Er ist Autor mehrerer Bücher und zudem Mitglied der „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung".
Regelmäßig nimmt an der „Tagungswoche" auch der rechte „Kult-Barde" Frank Rennicke teil und steuert die „Lieder von und mit Frank Rennicke" bei. „Seine Musik thematisiert die Wehrmachtssoldaten, das Deutsche Reich unter Hitler, Ausländer- und Asylanten-Flut, Runen, Ostgebiete etc. Im Stil eines 'braunen Reinhard Mey`“ (zitiert nach R. Fromm - „Am rechten Rand"). Er tritt immer wieder bei Organisationen des gesamten Szenespektrums auf und ist bei allen gern gesehener Gast. So spielte er zum Beispiel bei der NPD und den REPS genauso wie bei der „Wiking-Jugend", in deren Vorstand er auch war. Für sie erwarb er auch die Aufführungsrechte an der Liedersammlung „Wir singen Kampf- und Soldatenlieder". In ihr befindet sich hauptsächlich textlich leicht abgewandeltes SS-Liedgut, wie zum Beispiel das nach § 86a StGB verbotene „Lied der Bewegung": „Wenn der Sturmsoldat ins Feuer zieht, ja, dann hat er frohen Mut, und wenn die schwarz-weiß-rote Fahne weht, dann geht's noch mal so gut". In der ekelerregenden Originalversion der SS hieß es „ ... und wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht's noch mal so gut ". Rennicke scheut sich offenbar nicht, die Tradition solcher Hetzlieder weiterzuführen. Zuletzt machte er von sich reden, als er bei der diesjährigen rechtsradikalen Mai-Kundgebung der „Jungen Nationaldemokraten“ in Hannoversch-Münden von Gegendemonstranten zusammengeschlagen wurde.
Initiator der „Tagungswoche" ist Jürgen Rieger (siehe hierzu auch „Jürgen Rieger - Drahtzieher und Hintermann"), der es sich ebenfalls nicht nehmen lässt, alljährlich Vorträge zu Themen wie „Kultur als Spiegel des Volkes" zu halten. Zudem obliegt ihm die „Leitung" der „Tagungswoche".
Im vergangenen Jahr stellte Rieger im Vorfeld eine „Schutztruppe" zur Sicherung des „Heide-Heimes" zusammen. Mit ihrem martialischen Auftreten sorgte diese in den Medien für Schlagzeilen. Unter den rechten Schlägern fanden sich auch namhafte Funktionäre verbotener Organisationen wieder, wie z.B. Steffen Hupka (Ex-Schulungsleiter der „Nationalistischen Front"), Falco Schüssler (Ex-FAP-Funktionär), Thomas Wulff (Ex-Kader der „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front") und Torsten de Vries (Ex-Führer des „Deutschen Kameradschaftsbundes"). Auch in diesem Jahr wurde bereits über eine Anzeige in der Neonazi-Postille „Hamburger Sturm" (siehe Materialien) versucht, Interessenten für eine neue Schutztruppe zu finden.
Quelle: Hetendorf 13 - Rechtsextremistisches "Heide-Heim" und
Schulungszentrum; Informations- und Pressemappe anlässlich der "Siebten
Hetendorfer Tagungswoche"; herausgegeben vom Hermannsburger Arbeitskreis
gegen Hetendorf 13; Hermannsburg / Hetendorf, Juni 1997.
Weitere Treffen in Hetendorf 13
Weiterhin fanden in Hetendorf 13 noch eine große Anzahl nicht regelmäßiger Treffen statt. Hier einige Beispiele:
- August 1989: „Hetendorfer Dichtertage", veranstaltet von der "Gesellschaft für freie Publizistik", dem "Heinrich-Anacker-Kreis" und dem - "Freundeskreis Filmkunst".
- März 1992: Die Hamburger "Nationale Liste (NL)“ (heute verboten) veranstaltet einen Vortrag mit dem Szene-bekannten Revisionisten David Irving in Hetendorf. Den hatte die Bundesregierung zwar aufgrund seiner Auschwitz leugnenden Thesen zur "unerwünschten Person" in Deutschland erklärt und ihm damit die Einreise verboten, doch das Treffen in Hetendorf konnte trotz dessen stattfinden.
- September 1993: Die "Skingiri Front Deutschland" veranstaltet ihr erstes Bundestreffen in Hetendorf 13.
Außerdem richteten verschiedene Gruppen in unregelmäßigen Abständen Wehrsportübungen in Hetendorf aus, z.B. im August 1988, im November 1990 und im August 1992.
Jürgen Rieger -
Drahtzieher und Hintermann
Juni 1997
Der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten des deutschen Rechtsextremismus. Durch seine zahlreichen Kontakte zu den verschiedensten Organisationen des Spektrums gilt er darüber hinaus als Integrationsfigur. Rieger ist es auch, der hinter den Aktivitäten in Hetendorf 13 steht und diese laut niedersächsischem Verfassungsschutzbericht von 1995 „maßgeblich steuert".
Rieger wurde am 11. Mai 1946 in Blexen bei Oldenburg geboren. Die rechtsradikale Karriere des heute 51-jährigen begann in seiner Studentenzeit, als er 1968 der „Aktion Oder-Neiße" beitrat. In dieser Organisation, die gegen die Anerkennung der polnischen Westgrenze durch die Bundesregierung agitierte, brachte er es immerhin bis zum stellvertretenden Vorsitzenden. 1969 wurde er Funktionär des „Bundes heimattreuer Jugend", einer der „Wiking-Jugend" ähnlichen Gruppierung. Im selben Jahr verfasste Rieger die Broschüre „Rasse - ein Problem auch für uns", in der zum ersten Mal sein 'Hang zur rassistischen, pseudowissenschaftlich-begründeten Anthropologie deutlich wurde. Das Machwerk gipfelt in primitiven Phrasen wie „Es kann festgestellt werden, welche Rasse für bestimmte Aufgaben besonders geeignet ist (die Weißen z.B. in Berufen, wo Intelligenz verlangt wird, die Neger im Showbusineß)" und wurde 1972 von der Bundesprüfstelle auf den Index jugendgefährdender Schriften gesetzt.
1970 war Rieger Mitbegründer der „CSU-Freundeskreise" und betätigte sich dort unter anderem auch als Pressesprecher. Er entwickelte damals bei seinem Gang durch die verschiedensten rechten Gruppen und bei der Mitbegründung eben solcher eine geradezu sensationelle Geschäftigkeit. Nach einem kurzen Intermezzo als Referent bei der „Deutschen Volksunion (DVU)", begründete er schließlich 1972 zwei Organisationen mit, die später noch bedeutsam für Hetendorf Nr. 13 werden sollten: den „Nordischen Ring" (inklusive dessen europäischer Schwesterorganisation „Northem League") und die „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV)", der späteren Mitbesitzerin des Hetendorfer Zentrums, deren Vorsitzender von 1974 an Jürgen Rieger hieß.
1974 kam Rieger auch mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt: zum einen wurde er wegen zweimaliger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt, zum anderen verlor er aufgrund seiner vielseitigen Aktivitäten seine Anstellung beim Oberlandesgericht Hamburg. 1975 ließ er sich deshalb in Hamburg-Blankenese als Anwalt nieder. Mit der Zeit etablierte er sich dann zum führenden Verteidiger rechtsextremer Straftäter vor Gericht. Fast alle namhaften Szene-Größen der letzten 20 Jahre kann er zu seinen Mandanten zählen: so verteidigte er zum Beispiel den kanadischen Ausschwitz-Leugner Ernst Zuendel, den als neuen charismatischen Führer der „Bewegung" gehandelten Michael Kühnen, die einschlägig bekannte Skinhead-Band "Störkraft", den ehemaligen Vorsitzenden der verbotenen „Nationalistischen Front" Meinolf Schönborn sowie zahlreiche weitere führende Persönlichkeiten. Bundesweites Aufsehen und Empörung rief 1981 sein Schlussplädoyer für den ehemaligen SS-Obersturmführer und Mitverantwortlichen für das Warschauer-Ghetto, Arpad Wiegand, hervor. Rieger bestritt damals u.a., dass „auch nur ein Jude im Ghetto an Hunger gestorben wäre, wenn es mehr Solidarität unter den Juden gegeben hätte". Das gegen wegen dieser Äußerungen eröffnete Verfahren wegen „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" wurde 1987 eingestellt.
Unbeeindruckt bastelte der Unverbesserliche 1987 schon wieder an weiteren Aktivitäten. Er schrieb u.a. einen Beitrag zur „Missus-Schriftenreihe" des NPD-Funktionärs Hans-Michael Fiedler. Der Titel des Pamphlets lautete „Biologische Grundlagen deutscher Politik". Als Schlussbemerkung schrieb Rieger: „Deshalb ist es meine feste Überzeugung, daß die Ausländerfrage, obwohl sie größte Gefahr für unser Volk seit seinem Bestehen ist, die Geißel wird, die unser Volk aufreckt und dazu bringt, national und volksbewußt zu denken, sich auf das Eigene zu besinnen und das zu errichten, was wir alle erstreben und erhoffen: Ein einiges Volk und Reich!“
In dieser Zeit versuchte der sonst eher legalistisch auftretende Anwalt, seine Beziehungen zu militant-rechtsextremistischen Kreisen zu intensivieren. So wurde er Mitglied der paramilitärisch-neonazistisch auftretenden „Wiking-Jugend" und kooperierte mit der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front". Für sie entwarf er die programmatische Schrift „Neun-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung" und sprach auf einem Parteitag der NF im April 1991 zum Thema „Ausländer raus - wann und wie". Zudem fungierte er für zwei spektakuläre Szene-Ereignisse des Jahres 1991 als Anmelder: für den alljährlich stattfindenden „Rudolf-Hess-Gedenkmarsch" und für einen zunächst verbotenen Kongreß europäischer Revisionisten (Pseudo-Historiker, die versuchen, die Greuel des Dritten Reiches zu relativieren - MD) in München, dessen Stattfinden er durchsetzte.
Seine Bemühungen im neuheidnisch-völkischen Bereich und in Bezug auf den Ausbau der "Volksbildungsstätte Hetendorf 13“ liefen parallel. 1989 wurde er Vorsitzender der „Artgemeinschaft“ -und zugleich Schriftleiter des Vereinsorgans „Nordische Zeitung". Die Artgemeinschaft ist Hauptveranstalter der „Hetendorfer Tagungswoche", zu der Rieger seit 1991 persönlich einlädt. Er war auch schon in der Vergangenheit die zentrale Person hinter den Aktivitäten in Hetendorf gewesen. So hatte er als Funktionär des „Freundeskreises Filmkunst“ schon beim Kauf des Anwesens im Jahre 1979 seine Hände im Spiel gehabt. Als sich 1992 die Besitzverhältnisse änderten, war das auf seine Initiative zurückzuführen. Er bekleidet heute sowohl im Trägerverein von Hetendorf 13, dem Hamburger „Heide-Heim e.V.", als auch im Förderverein in Buchholz/Niedersachsen das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden. Der Niedersächsische Verfassungsschutz bezeichnet im Bericht von 1993 sogar als „maßgebliches Vorstandsmitglied". 1990 versuchte er darüber hinaus, für die GfbAEV ein weiteres Grundstück in Hetendorf, das Haus Nr. 47, zu erwerben. Dies glückte aufgrund starker Proteste der Hetendorfer Bevölkerung, die befürchtete, von den Rechten "eingekesselt“ zu werden, nicht. Den Zuschlag erhielt trotz niedrigeren Kaufgebotes ein Architekt aus dem Dorf. Rieger rächte sich. In alle Hetendorfer Briefkästen flatterte einige Tage später ein offener Brief des wütenden Anwalts an den Architekten. Einige Auszüge:
„Wir haben uns genau gemerkt, wer im Dorf uns verleumdet, gegen uns gehetzt und sich gegen uns gestellt hat", "Wer Krieg haben will, soll ihn bekommen", "Rache ... muß kalt genossen werden". 1993 folgte ein weiteres von Rieger an die Hetendorfer adressiertes Flugblatt, indem er behauptete, das Haus. Nr. 47 solle zum Asylantenheim ausgebaut werden. In aufhetzender Manier schrieb er, der Architekt solle „nun auch für die Folgen geradestehen, und jeder Hetendorferin und jedem Hetendorfer, die künftig an Leib, Leben, Gesundheit und Eigentum durch Asylbewerber geschädigt werden, aus seiner Tasche Schadenersatz zahlen". Rechtlich belangt werden konnte der findige Advokat, der es gewohnt ist, die juristischen Klippen im Meer der Hetzparolen zu umschiffen, dafür nicht.
Im Mai 1996 titelte die regional erscheinende „Cellesche Zeitung" mit einem Zitat des Präsidenten des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Rolf-Peter Minnier: Hetendorf 13 sei durch das Verbot der Wiking-Jugend „eigentlich der Boden entzogen worden“. Der Pressesprecher der Behörde, Hans Rüdiger Hesse sprach gar davon, dass der Rechtsanwalt Rieger" das Interesse an Hetendorf verloren" habe. Was war passiert? Rieger hatte im schwedischen Smaland für 2.2 Millionen DM einen 650 Hektar großen Gutshof erworben. In der Szene-Postille „Nation+Europa" suchte er daraufhin in einer Anzeige nach „bis zu 18 jungen deutschen Familien", die mit ihm in schwedischer Unberührtheit eine Art völkisch-ökologische Selbstversorgerkolonie gründen und dort „ein Leben nach eigener Art " führen wollen. Doch bis heute gibt es keine sicheren Anzeichen dafür, dass Rieger Deutschland endgültig den Rücken kehren will. Auf ein baldiges Ende des Neonazi-Treffpunktes Hetendorf 13 zu hoffen, scheint demnach verfrüht. Rieger selbst jedenfalls verkündete nur einen Monat nach der Aussage des niedersächsischen Verfassungsschutzpräsidenten auf der letztjährigen „Tagungswoche" zynisch gegenüber einer Gruppe von Gegendemonstranten: „Ich lade Sie herzlich dazu ein, nächstes Jahr wieder gegen die Tagungswoche zu demonstrieren.“
Quelle: Hetendorf 13 - Rechtsextremistisches "Heide-Heim" und
Schulungszentrum; Informations- und Pressemappe anlässlich der "Siebten Hetendorfer Tagungswoche"; herausgegeben vom Hermannsburger Arbeitskreis gegen Hetendorf 13; Hermannsburg / Hetendorf, Juni 1997.
Foto: Droh-Parole der Nationalistischen Front (NF).
Die Nationalistische Front
Juni 1997
Mit der Gründung der „Nationalistischen Front" (NF) wurde 1985 der Versuch unternommen, eine nationalrevolutionäre Kaderpartei zu gründen, die sich programmatisch am sozialistisch geprägten Nationalismus der Gebrüder Strasser, zweier an Hitler gescheiterter Ideologen der NSDAP der 20er Jahre orientieren sollte. Mit Schlagwörtern wie „Antikapitalismus", „Antiimperialismus" und der Thematisierung von Umweltproblemen sollte sie gezielt auch in bisher eher linkes Terrain eindringen. Der Versuch fand 1992 mit dem bundesweiten Verbot der NF ein jähes Ende.
Um dem Status der Kaderorganisation gerecht zu werden, setzt die NF ihre Mitglieder weitreichenden ideologischen und paramilitärischen Schulungen aus. Gefordert wurden unter anderem Waffenkenntnisse, körperliche Belastbarkeit und zahlreiche weitere Fähigkeiten. Finanziell sicherten sich die Nationalrevolutionäre über einen florierenden Versandhandel, den „Klartext-Verlag", ab. Vertrieben wurden T-Shirts, Aufkleber, Fahnen usw. mit Aufschriften wie „Ich bin stolz, ein Neonazi zu sein" und „Rudolf Hess lebt", aber auch Tonträger mit Reden von Göring bis Goebbels. Die zweifelhaften „Fanartikel" erfreuten sich in der gesamten Szene, insbesondere aber unter Skinheads, größter Beliebtheit.
Entsprechend den provokanten Aufdrucken ihrer Verkaufsartikel wurde auch die Ausrichtung der NF im Laufe der Jahre immer aggressiver* bis sie in ihrer Endphase teilweise sogar offen militant auftrat. So hatte NF-Chef Meinolf Schönborn im Jahre 1991 zur Bildung „Nationaler Einsatzkommandos (NEKs)" aufgerufen. In seinem Aufruf hieß es:
„Um unseren Kampf für ein' völkisches Deutschland • besser, zielgerichteter, sicherer und noch erfolgreicher durch/ihren zu können, haben wir beschlossen, ein NEK aufzustellen. Die Aufgaben des NEKs werden sein:
- Aufstellung kadermäßig gegliederter hochmobiler Verbände
- Ausbildung von sportlichen und gesunden Kameraden für den politischen Kampf auf der Straße
- Planung und Durchführung von überraschend durchgeführten zentralen Aktionen."
Der Versuch, diese rechte Schlägertruppe nach SA-Manier ins Leben zu rufen, brachte Schönborn ein Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft ein. Ermittelt wurde wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde die NF am 27.11.1992 bundesweit verboten. Doch schon 1994 wurden Stimmen laut, die den Strafverfolgungsbehörden mangelnde Konsequenz bei der Durchsetzung des Verbotes vorwarfen. So wurden zum Beispiel NF-Vorfeldorganisationen wie der „Förderkreis Junges Deutschland" nicht verboten, das NF-Bundeszentrum in Pivitsheide wurde nicht geschlossen, und es gab immer wieder Anzeichen einer Neuformierung der ehemaligen NFler.
Auch im Hetendorfer Heide-Heim sollen Zusammenkünfte der NF noch nach ihrem Verbot stattgefunden haben. Zumindest aber der letzte Bundesparteitag der NF fand am 27.06.92 in Hetendorf statt. Zudem war für Dezember 92 laut Protokoll einer Sitzung der „Obersten Leitung" eine Wintersonnwendfeier im Heide-Heim geplant, der jedoch das Verbot zuvorkam. 1988 hatte ein Ausbildungslager fir „Kaderanwärter" auf dem Gelände stattgefunden. Außerdem hatten immer NFler an den "Tagen volkstreuer Jugend" der WikingJugend teilgenommen. Und auch während der „Tagungswoche" des vergangenen Jahres bewiesen ehemalige NF-Funktionäre ihre Verbundenheit zum Heide-Heim: in der von Jürgen Rieger zusammengestellten „Schutztruppe" für das Zentrum befand sich beispielsweise der ehemalige NF-Schulungsleiter Steffen Hupka.
Quelle: Hetendorf 13 - Rechtsextremistisches "Heide-Heim" und
Schulungszentrum; Informations- und Pressemappe anlässlich der "Siebten Hetendorfer Tagungswoche"; herausgegeben vom Hermannsburger Arbeitskreis gegen Hetendorf 13; Hermannsburg / Hetendorf, Juni 1997.
Wiking-Jugend
Juni 1997
Die „Wiking-Jugend" (WJ) war bis zu ihrem Verbot im November 1994 mit rund 500 Mitgliedem und etlichen Sympathisanten und Unterstützern die größte neonazistische Jugendorganisation in der Bundesrepublik. Sie ging 1952 aus den Jugendverbänden der „Sozialistischen Reichspartei (SRP)" hervor, die kurz davor aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur NSDAP verboten worden war.
Die Oberen der WJ machten nie einen Hehl daraus; dass es ihr erklärtes Ziel war, das nationalsozialistische Gedankengut in ihrer Organisation weiterleben zu lassen. So war die WJ getreu ihrem Vorbild der „HitlerJugend" streng nach dem Führerprinzip geordnet. Die einzelnen Gruppen wurden in „Gaue" und „Horste" gegliedert, „Jungen- und Mädchenschaften" mussten sich paramilitärischem Drill unterziehen. So traten die „Pimpfe" und „Jungmädel" ab einem Alter von sechs Jahren uniformiert auf und mussten „Wehrkämpfe", „Pimpfproben" und „Wolfsangelmärsche" absolvieren.
Das politische Schulungsprogramm der WJ beinhaltete offen vorgetragenen Rassismus, Antisemitismus und eine sogenannte „Nordland-Ideologie", die die Überlegenheit des „nordischen Menschen" konstatierte. In Publikationen der WJ wie dem Vereinsorgan „Wikinger" wurde Hetze gegen Ausländer, Andersdenkende und soziale Minderheiten betrieben. Einige Kostproben:
- „Millionen von Orientalen, Asiaten und Negern überschwemmen unser Land" (Extra-Wikinger 1985)
- „Das Deutsche Reich bleibt immer unsere Verpflichtung - Nordland heißt unsere Aufgabe. Im Reich liegt das Heil unseres Volkes, im Heil der nordischen Völker liegt die Zukunft unserer Art." (Fahrtenplan der WJ 1991)
Um dieses „Heil" zu erringen, suchte die WJ immer mehr den Kontakt zu militant rechtsextremistischen Gruppierungen. Kontakte bestanden zum ganzen rechten Spektrum, da ein Großteil der Funktionäre in der Szene durch die Reihen der WJ gegangen war. Aufgrund der immer deutlicher hervortretenden Militanz und ihres aggressiven Auftretens wurde die WJ nach 42 Jahren 1994 endlich vom Bundesinnenminister verboten. Einige Zitate aus der Verbotsbegründung:
- „Mit dieser Vorstellung (der Nordlandideologie - MD), die vom Trägerverein des Hetendorfer Schulungszentrums, dem "Heide-Heim e. V", ebenfalls vertreten wird, knüpft die WJ nahtlos an die ideologische Vorstellungswelt insbesondere der SS an."
- „Das Ausbildungsprogramm trägt die Züge der Lagererziehung der Hitler-Jugend."
- „Die Gewaltbereitschaft der WJ lässt sich bereits aus dem Umstand entnehmen, dass sie zu einem erheblichen Teil ihrer Tätigkeiten Wehrsportübungen veranstaltet und durchführt, die nicht nur auf körperliche Ertüchtigung, sondern auf militärischen Einsatz ausgerichtet sind."
Das Verbot war vom Niedersächsischen Innenministerium aufgrund der Pfingstaufinärsche in Hetendorf aus dem Jahre 1994 angeregt worden. Von 1986 an hatta•l über 25 WJ-Veranstaltungen auf dem Gelände des Hetendorfer Heide-Heimes stattgefunden. Allein die „Tage volkstreuer Jugend" zogen jedes Jahr bis zu 300 Wikinger an. Weiterhin fanden „Sommerlager", „Bundesthings" und „Schulungslager" in Hetendorf statt.
Quelle: Hetendorf 13 - Rechtsextremistisches "Heide-Heim" und
Schulungszentrum; Informations- und Pressemappe anlässlich der "Siebten Hetendorfer Tagungswoche"; herausgegeben vom Hermannsburger Arbeitskreis gegen Hetendorf 13; Hermannsburg / Hetendorf, Juni 1997.