Arbeitskreis gegen Hetendorf 13
Inhaltsverzeichnis
- Proteste gegen Hetendorf 13
- Arbeitskreis gegen Hetendorf 13
- Erinnerungen an Hetendorf 13
Proteste gegen Hetendorf 13
Übersicht
Der Rechtsanwalt und Bundesvize der NPD, Jürgen Rieger, hat das Neonazi-Zentrum "Hetendorf 13" bei Hermannsburg im Landkreis Celle von 1978 bis 1998 betrieben. Er führte dort politische Schulungen, Pfingstlager und Wehrsport-übungen durch. „Hetendorf 13“ war auch Zentrum der Wiking-Jugend, eine Nachfolge-Organisation der Hitler-Jugend und des Bundes Deutscher Mädel.
1997 war sogar Beate Zschäpe in Hetendorf.
Der Widerstand gegen „Hetendorf 13“ formierte sich in den neunziger Jahren. Schon bald fanden regelmäßig Demonstrationen und Mahnwachen in Hetendorf statt. 1998 hat das Land Niedersachsen schließlich das Zentrum in Hetendorf wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen.
1979 - Der Verkauf des Anwesens Nr. 13 in Hetendorf an den „Freundeskreis Filmkunst"führt zu Protesten von Einzelpersonen aus der Region.
1987 - Antifa-Gruppen verhindern das geplante Herbstlager der „Wiking-Jugend" in Hetendorf durch Proteste im Vorfeld.
1990 - Hetendorfer Bürger, die politische Gemeinde Hermannsburg sowie der „Ökumenische Arbeitskreis" sammeln Unterschriften gegen den Verkauf des Grundstückes Hetendorf Nr. 47 an Jürgen Rieger und seine „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung". Der Verkauf an Rieger wird verhindert. Infolge der Proteste schreibt Rieger einen Drohbrief an die Hetendorfer.
1993 - Ein zweites Flugblatt Riegers wird in Hetendorf verteilt. Er versucht, die Bevölkerung gegen ein angeblich geplantes Asylantenheim im Haus Nr. 47 aufzuhetzen.
1994 - Im Vorfeld der „Tage volkstreuer Jugend" sammeln Hermannsburger Bürger in der Region über 3300 Unterschriften gegen die Aktivitäten im Hetendorfer Zentrum. Sie werden auf einer zweiseitigen Anzeige in der „Celleschen Zeitung" veröffentlicht.
Während der „Tage volkstreuer Jugend" der „Wiking-Jugend (WJ)" findet auf dem Sportplatz, den die „Wikinger" sonst für ihre „Wehrspiele" nutzten, ein „Spiel ohne Grenzen" statt. Veranstalter ist die örtliche „Landjugend". Die Nutzung des Platzes durch die WJler kann verhindert werden.
Im Herbst des Jahres gründet sich in Celle das „Bündnis gegen Rechts", ein Zusammenschluss autonomer Antifa-Gruppen, Bürgern aus Hermannsburg und Hetendorf sowie zahlreichen weiteren Gruppen und Vereinen, die zu Pfingsten 1995 „Antifaschistische Aktionstage" organisieren wollen.
1995 - Die „Antifaschistischen Aktionstage" finden zu Pfingsten statt. Autonome kampieren friedlich im benachbarten Sülze, an einer Demonstration nehmen 1700 Menschen teil. Zwei namhafte Rechtsextreme (Manfred Roeder und Peter Naumann) versuchen auf einer Diskussionsveranstaltung in Hermannsburg durch Provokationen das Bündnis zwischen bürgerlichen und autonomen Kreisen zu entzweien.
Parallel findet in Bonstorf bei Hetendorf das zweite „Spiel ohne Grenzen" statt. Veranstalter ist wieder die „Landjugend".
Über das Jahr hinweg gibt es drei „Antifaschistische Sonntagsspaziergänge" mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern.
1996 - Der Rat der Gemeinde Hermannsburg verabschiedet einstimmig eine Resolution, die das Ende der Aktivitäten in Hetendorf fordert.
Das dritte „Spiel ohne Grenzen" findet statt.
Während der „Sechsten Hetendorfer Tagungswoche" finden täglich Mahnwachen, organisiert vom "Hermannsburger Arbeitskreis gegen Hetendorf 13", statt. Zweimal kommt es zu Provokationen von „Tagungsteilnehmern".
Der „Hetendorfer Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus" veranstaltet ein Fußballturnier unter dem Motto „Rote Karte für Hetendorf 13".
Eine Demonstration von Antifa-Gruppen wird von einem starken Polizeiaufgebot, das die Veranstaltung im „Heide-Heim" abschirmt, aufgelöst.
1998 - hat das Land Niedersachsen schließlich das Zentrum in Hetendorf wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen.
Arbeitskreis gegen Hetendorf 13
Wer wir sind - was wir wollen
Der Hermannsburger Arbeitskreis gegen Hetendorf 13 ist ein loser Zusammenschluss von Bürgerinnen und Institutionen aus Hermannsburg und Umgebung, die sich gegen das Bestehen des rechtsextremistischen Schulungszentrums Hetendorf 13 engagieren. Mitglieder sind u.a. auch Vertreter von Parteien, Vereinen und Kirchengemeinden aus Hermannsburg. Der Arbeitskreis versteht sich jedoch als überkonfessionell und nicht parteigebunden.
Wir wenden uns mit friedlichem Protest gegen die Machenschaften rechtsextremistischer und neonazistischer Organisationen in unserer Nachbarschaft. Es ist erwiesen, dass verschiedenste Gruppierungen des rechten Spektrums das Tagungszentrum Hetendorf 13 nutzen, es hat sozusagen „Brückenfunktion" zwischen militanten, völkisch-neuheidnischen und parteiorientierten Rechtsextremisten. Diese Vernetzung der Szene kann aus unserer Sicht nicht länger hingenommen werden! Wir können und wollen nicht tatenlos akzeptieren, dass faschistische Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet das Anwesen Hetendorf Nr. 13 weiterhin für ihre Tagungen und Schulungen nutzen. Wir wenden uns gegen rassistische und neonazistische Hetze, die in Vorträgen und Referaten in Hetendorf Nr. 13 vorgetragen wird. Wir wenden uns gegen wehrsportähnliche Übungen und die politische Indoktrination von Kindern und Jugendlichen. Wir wollen uns mit friedlichen und rechtstaatlichen Mitteln dagegen wehren, dass 52 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus nur 20 Kilometer von der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen entfernt schon wieder eine Brutstätte rechtsradikalen Denkens und Handelns existiert. Wir fordern daher die Schließung des Schulungs- und Tagungszentrums Hetendorf 13! Wir rufen alle staatlichen Institutionen dazu auf, sämtliche rechtstaatlichen Mittel auszuschöpfen, um weitere Aktivitäten in Hetendorf Nr. 13 zu verhindern! Von den Hamburger Finanzbehörden erwarten wir endlich Auskunft darüber, ob der Trägerverein von Hetendorf 13, der „HeideHeim e.V.", den Status der Gemeinnützigkeit besitzt. Das niedersächsische Innenministerium schloss dieses für den Förderverein in Buchholz bereits 1996 aus.
18 Jahre rechtsextreme Gewalt und Hetze in Hetendorf sind mehr als genug!
Schon im vergangenen Jahr, während der „Sechsten Hetendorfer Tagungswoche", initiierte unser Arbeitskreis eine breite Palette von Gegenaktionen verschiedenster Gruppen aus der Umgebung. Unter anderem fanden ein ökumenischer Gottesdienst, eine Veranstaltung mit allen im Hermannsburger Gemeinderat vertretenen Parteien und eine Demonstration mit der bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Andrea Hoops statt.
Bei zwei dieser Gegenveranstaltungen wurden wir direkt von Rechtsextremisten aus dem „Heide-Heim" attackiert. Teilnehmer der Proteste wurden provoziert, beschimpft und eingeschüchtert. Farbige Teilnehmer an einem Gottesdienst wurden mit „Urwaldlauten" verhöhnt.
Wir möchten deswegen in diesem Jahr alle Medienvertreter darum bitten, das Augenmerk nicht nur auf die vermeintlich spektakuläreren Aktionen der Antifa zu richten, sondern auch unsere Veranstaltungen in den Medien zu begleiten!
Um ihnen in die Thematik „Schulungszentrum Hetendorf 13" schon einmal einen Einstieg zu liefern, haben wir eine Mappe zusammengestellt. Sie hat weder den Anspruch, einen vollkommenen Überblick über die Geschehnisse in Hetendorf 13 zu geben, noch kann sie alle personellen und organisatorischen Verflechtungen im Hintergrund des Zentrums aufdecken. Wir hoffen aber, Ihnen zumindest einen Einblick in die Zusammenhänge zu geben, die uns veranlassen, gegen das Weiterbestehen von Hetendorf 13 zu protestieren. Für Rückfragen stehen die Mitglieder des Arbeitskreises selbstverständlich auch persönlich zur Verfügung. Kontaktnummern finden Sie auf der vorhergehenden Seite. Der Ablauf der Veranstaltungen gegen die Tagungswoche befindet sich auf der nächsten Seite.
Wir hoffen, Sie für unser Anliegen gewonnen zu haben, und möchten an dieser Stelle noch einmal alle Medienvertreter und Interessierten um Unterstützung bitten!
Quelle: Hetendorf 13 - Rechtsextremistisches "Heide-Heim" und Schulungszentrum; Informations- und Pressemappe anlässlich der "Siebten Hetendorfer Tagungswoche"; herausgegeben vom Hermannsburger Arbeitskreis
gegen Hetendorf 13; Hermannsburg / Hetendorf, Juni 1997.
Erinnerungen an Hetendorf 13
Hartmut Bartmuß,
Gemeindepastor in Hermannsburg von 1993 - 2003
Im Sommer 1993 habe ich eine Pfarrstelle an der ev.-luth. Großen Kreuzkirche in Hermannsburg übernommen. Bei der Ev.-luth. Großen Kreuzkirchengemeinde handelt es sich um eine Kirchengemeinde der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Von Bielefeld kommend war mir das Problem Neonazismus nicht neu. Wir hatten die Leute zeitweilig in der Bielefelder Bleichstraße, wir hatten mit der Nationalistischen Front (NF) zu tun und kannten deren Versuche, sich an den Externsteinen (und nicht nur dort) zu etablieren.
Kurz nach dem Dienstantritt in Hermannsburg erfuhr ich von den Vorgängen im Zentrum Hetendorf 13 und den entsprechenden Umtrieben des Hamburger Juristen Jürgen Rieger, der im noblen Hamburger Stadtteil Blankenese seinen Wohnsitz hatte und in der gleichen Villa befand sich auch seine Kanzlei. Im inzwischen abgerissenen "Völkers Hotel" gab es eine Informations-veranstaltung unter der Leitung des Hermannsburger Gymnasiallehrers Norbert Peters und da war mir schnell klar geworden, dass ich mich in die Reihe derer einfügen werde, die dem Nazizentrum den Kampf angesagt hatten, mit dem Ziel, das Zentrum zu schließen, in dem verschiedene rechtsextremistische Zusammenschlüsse ihr Unwesen getrieben haben.
Da alle meine diesbezüglichen Unterlagen inzwischen archiviert worden sind und sich nicht mehr im Haus befinden, schreibe ich hier mit dem Mut zur Lücke aus dem Gedächtnis. Alsbald wurde aus einem losen Zusammenschluss der Arbeitskreis Hetendorf 13 (AK H13), dem sich auch u.a. die Celler Antifa angeschlossen hatte; getagt wurde in Räumen der Großen Kreuzkirchengemeinde. Wir hatten mitunter unterschiedliche Ansichten, aber das gemeinsame Ziel hat uns immer verbunden. Wir haben uns nicht auseinander-dividieren lassen. Zunächst fanden wir bei den kommunalen Stellen nicht die erhoffte Zustimmung zu unseren Aktionen, z.B. Mahnwachen und "Spaziergänge". Das Verhältnis zu unserer Hermannsburger Polizei war gut, zu den angereisten Polizeikräften zunächst nicht immer, für die - so der Eindruck - mitunter die Gegendemonstranten nur eine Kehrseite einer Medaille gewesen sind.
Unvergessen neben vielen anderen ist und bleibt mein leider viel zu früh verstorbener katholischer Amtsbruder, der Pfarrer Johannes Lossau, der seinen Sitz in Bergen (Landkreis Celle) hatte. Er war einer, der im Ermland Pferdeknecht gewesen war, in den fünfziger Jahren mit der Familie in die alte BRD ausreisen durfte und der dann nach einer auf dem Zweiten Bildungsweg erworbenen Hochschulreife in Bad Driburg Theologie studieren und Priester werden konnte. Zu ihm sagte ich einmal: "Wenn die mal ans Ruder kommen, werden wir beide im gleichen Zug sitzen". Johannes Lossau: "Bruder Bartmuß, ich bete schon lange für meine Mörder."
Wer auf unserer Seite stand, das war der damalige niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski. Johannes Lossau hatte eine Telefonnummer des Ministers, damit er ihn im Bedarfsfall direkt erreichen konnte. Das spricht für sich.
Unsere Aktionen waren vielfältig und phantasievoll. Die Dorfjugend organisierte während der rechtsextremen „Hetendorfer Tagungswoche“ ihre "Spiele ohne Grenzen". Kranzniederlegungen am Kriegerdenkmal im benachbarten Ortsteil Bonstorf wurden - nach einem Versuch - dadurch verhindert, dass die Bonstorfer ihrerseits, bevor die von H13 gekommen sind, wie immer ihre Kränze niedergelegt haben. Bei Mahnwachen haben wir auch Andachten gehalten und einmal haben wir denen die Nationalhymne entgegen gesungen.
Bei einer kleinen Mahnwache mussten wir erleben - es war nur ein Polizist anwesend - dass Jürgen Rieger mit Frank Rennicke und anderen das Gelände verlassen hatte. Rieger hielt eine Hetzrede und Rennicke sang dazu entsprechende Lieder.
Einmal stand ein inzwischen verstorbener Anhänger von H13, ein Landwirt aus der Gegend um Bremen, vor meiner Tür und wollte von mir Schadenersatz; er hatte versucht, eine Sperre der Antifa zu umfahren und sein Auto wurde mit Kartoffeln beworfen, eine Scheibe war dabei zu Bruch gegangen. Er bekam natürlich nix.
U.a. bin ich im Internet bedroht worden. Ein "Schinderhannes" stellte u.a. klar, dass man sich meiner "gebührend" erinnern würde. Eine Anzeige hatte keinen Erfolg, da ich nicht mit einer konkreten Straftat bedroht worden wäre. Es war die Antifa Celle, die Klarnamen, Geburtsdatum und Adresse von "Schinderhannes" ermitteln konnte. Man wusste nun wenigstens, wer er war.
Zu einer der rechtsextremen Tagungswochen (Wachen von H13 schossen mit Leuchtspur Richtung Journalisten) hatten sie ihre Zäune wieder mit Planen als Sichtblenden versehen. Auf dem Gelände standen Pkw aus verschiedenen europäischen Staaten. Da konnte ich wegen der Fernsehaufnahmen erneut unseren Kirchenvorsteher, den Elektromeister Hans-Heinrich Kaiser, gewinnen. Der kam mit einem Gerät, Kameramann kam in den Korb und konnte dann aus einer Höhe von mehreren Metern das ganze Gelände einsehen.
Der Zorn derer von H13 war groß. Mitunter kam es seitens einiger weniger junger angereister Gegendemonstranten zu Fehlverhalten und das machte die Dorfbewohner sehr skeptisch. Wir konnten im AK H13 darüber sprechen und es wurde seitens der Antifa dafür gesorgt, dass bei Disziplinlosigkeiten die Ordner ohne zu zögern ihres Amtes gewaltet haben.
Im Februar 1998 kam ich morgens aus der örtlichen Volksbank und ein Auto hielt an. Die mir bekannte Journalistin Andrea Röpke rief mir zu, dass H13 eben geschlossen worden wäre. Ohne zu zögern fuhr ich hin und tatsächlich: Unsere Proteste hatten Erfolg und unser Verbündeter, Gerhard Glogowski, hatte dies später auch gerichtlich bestätigte Schließung durchsetzen können.
Noch eine Kleinigkeit: Hetendorf gehörte zu meinem Seelsorge-Bezirk und so habe ich dem Hausmeisterehepaar Koch von H13 ein Gespräch angeboten, das auch stattgefunden hat, allerdings ohne Erfolg. Man hatte mich aber über das Gelände und auch teilweise in einzelne Räume geführt. Die von H13 später: "Der Hetzpfaffe hat spioniert".