Dossier

Informationen über unseren Protest gegen das NPD-Zentrum in Eschede.

NPD-Zentrum in Eschede schließen!

Offener Brief an den niedersächsischen Innenminster.

Sehr geehrter Herr Minister Pistorius,

seit über 30 Jahren ist der Hof Nahtz in Eschede Zentrum verschiedenster rechtsextremistischer Kreise und Organisationen. Hier versammeln sich Neonazis aller Schattierungen, neonazistische Jugendorganisationen, junge und alte NPDler usw. Brauchtumsfeiern dienen der Stärkung der Szene nach innen. Kinder und Jugendliche werden früh auf das rechtsextremistische Gedankengut eingeschworen. Die Gewaltbereitschaft der Szene wird immer wieder deutlich, sei es durch erhebliche Waffenfunde bei Hausdurchsuchungen und aggressivem Auftreten gegenüber der Bevölkerung.

Schon seit Beginn des rechtsextremistischen Treibens ist der zivilgesellschaftliche Widerstand aktiv. Jede Veranstaltung der Rechtsextremisten ist von Protesten begleitet. Rat und Verwaltung der Gemeinde Eschede haben sich eindeutig positioniert.

2019 hat die NPD-Niedersachsen das Anwesen übernommen. In der Region wächst die Sorge, dass hier erneut ein Schulungszentrum für rechtsradikale Aktivitäten und Gesinnung entsteht. Das Neo-Nazizentrum „Hetendorf 13“ wurde 1998 vom damaligen Innenminister Glogowski wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen.

Die Situation ist für die Menschen in Eschede und Umgebung unerträglich. Es muss gehandelt werden! Wir bitten Sie, Herr Minister, alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen. Unser Widerstand wird anhalten und wachsen bis zu einem Verbot der rechtsextremen Aktivitäten auf dem Hof. Das NPD-Zentrum in Eschede muss geschlossen werden!

  • Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus
  • Bündnis gegen Rechtsextremismus Eschede
  • Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus Celle

Übergabe
des offenen Briefes 


Am 7. Juli 2021 haben wir Niedersachsens Innenminister Pistorius unseren offenen Brief mit fast 41.000 Unterschriften übergeben. Neben dem Minister waren bei der Übergabe auch mehrere Landtagsabgeordnete anwesend. Wir waren mit ungefähr vierzig Personen zur Übergabe aus der Südheide gekommen. Sie fand auf dem "Platz der Göttinger Sieben" am Niedersächsischen Landtag statt. Auch "Omas gegen Rechts" aus Hannover waren dabei.



Klaus Jordan  (26. Juni 2019)

Hof Nahtz an NPD verkauft

Stellungnahme des
Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus

„Wir müssen hellwach sein", sagte der Escheder Bürgermeister Günter Berg. 

Recht hat er! - Bloß warum so spät.

Seit Februar ist klar, dass die NPD den Hof kaufen wird/will.

So ein Verkauf beschäftigt viele Behörden und nicht zuletzt auch die betroffene Gemeinde.

Was genau ist also wirklich versucht worden und warum haben die „Anstrengungen“ der Behörden nichts gefruchtet?

Wurde versucht, sich ein Vorkaufsrecht zu sichern? Wenn das so war, woran ist es gescheitert?

Wurde Hilfe gesucht z.B. beim Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund des Ministerium für Inneres, Sport und Integration oder bei anderen Kommunen, die ein ähnliches Problem haben / hatten?

Und warum wurde das, wenn es so war, nicht öffentlich kommuniziert und damit ein umfangreicher Bürgerprotest initiiert

Warum müssen wir erst aus der Zeitung erfahren, dass alles schon gelaufen ist und mit den lapidaren Worten „dass es irgendwann einen Eigentümerwechsel geben wird, war anzunehmen“ (O-Ton Günter Berg in der CZ vom 22.6.19) abgespeist werden?.

Ist den beteiligten Entscheidungsträgern eigentlich klar, was dieser Verkauf bedeutet?

Die NPD braucht einen „sicheren“ Veranstaltungsort, sucht schon seit langem und ist endlich fündig geworden.

Neben den bisherigen Brauchtumsfeiern und quasi „Vernetzungstagungen“, kann jetzt ohne größere Vorankündigung oder Anmeldung jederzeit alles Mögliche durchgezogen werden.

Einer legitimierten Indoktrination steht mit diesem Immobilienerwerb nichts mehr im Weg.

Vor Jahrzehnten haben viele von uns  gegen das Schulungszentrum der Nazis in Hetendorf 13 gekämpft. Teilweise haben wir dafür erhebliche persönliche Risiken auf uns genommen. Doch der Erfolg gab uns Recht. 

Hetendorf 13 ist Geschichte.

Wir haben jeden Tag vor dem von der Kameradschaft 73 besetzten Hotel Gerhus in Gerdehaus gestanden, um dort eine Schulungszentrum der NPD zu verhindern. Auch das konnte dort verhindert werden.

Und jetzt der Hof Nahtz.

Für uns als „Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus“ , dass sich seit nunmehr 10 Jahren an diesen Nazitreffen auf dem Hof abarbeitet eine Horrorvorstellung.

Schlimm genug, dass es den Nazis so leicht gemacht wurde und wird! 

Übel, dass die politischen Entscheidungsträger immer noch nicht begriffen haben, dass nur ein breiter Bürgerprotest Erfolge gegen Nazis möglich machen kann! 

Der Verkauf hätte doch mindestens behindert werden können, wenn die anstehenden Verhandlungen öffentlich gemacht worden wären.

Oder muss die Präsenz von Nazis jedweder Couleur als „schicksalhaftes“ Ereignis hingenommen werden, nach dem Motto: die Gesellschaft rückt sowieso nach rechts, da spielen ein paar Nazis mehr auf dem ehemaligen Nahtz-Hof kaum eine Rollle?

So ist der angerichtet Schaden durch diese „klammheimliche“  Verkaufsaktion beträchtlich, auch für die Gemeinde Eschede

Wir als „Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus“  fordern daher die zuständigen Behördenvertreter auf, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass auf dem Hof Nahtz keinUmbau zu einem Schulungszentrum stattfinden kann und den „Neubesitzern“ die Nutzung ihre Immobilienerwerbs  so schwer wie möglich gemacht wird 

Für Eschede  sollte ein Zeichen gesetzt werden:  für ein solidarisches „Aufstehen gegen Rechts“!

Gelegenheit für Bürgermeister, Kreistag und Herrn Wiswe endlich öffentlich aktiv zu werden und dieses Fiasko zu erklären.


Straße zum NPD-Zentrum Eschede umbenennen!

Das "Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus" begrüßt, dass die Gruppe „Bündnis90/Die Grünen - FDP“ im Rat der Gemeinde Eschede Überlegungen anstellt, wie dem NPD-Landesverband unmissverständlich klar gemacht werden soll, dass Neonazis in Eschede nicht erwünscht sind. Allerdings finden wir, dass eine Umbenennung der Straße „Zum Finkenberg“ in „Anne-Frank-Weg“ kein geeignetes Mittel ist. Das wäre kein würdiger Umgang mit dem Gedenken an Anne Frank, die 1934 mit ihren Eltern und ihrer Schwester Margot in die Niederlande auswanderte, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, und kurz vor dem Kriegsende doch noch dem nationalsozialistischen Holocaust zum Opfer fiel.

Eine Alternative wäre, die Straße „Zum Finkenberg“ in „Sophie-Scholl-Weg“ umzubenennen. Diese Vorschlag wurde im Dezember vom „Bunten Haus Celle“ auf der Kundgebung gegen die braune Wintersonnwendfeier gemacht. Der Name „Sophie Scholl“ steht eben nicht nur für Opfer, sondern auch für Widerstand.  Sie wurde aufgrund ihres Engagements in der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" gemeinsam mit ihrem Bruder Hans Scholl von nationalsozialistischen Richtern zum Tode verurteilt und am selben Tag hingerichtet.

Noch besser wäre es unserer Meinung nach, überhaupt nicht den Namen einer Person zu nutzen. Wir schlagen vor, den Weg, der zum NPD-Hof Nahtz führt, umzubenennen in „Zum braunen Sumpf“. Das würde deutlich zeigen, was am Ende dieser Straße vorzufinden ist.

Wilfried Manneke  (28. August 2020)

Stellungnahme zum NPD-Flyer, der zur Zeit in Eschede kursiert

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

seit einigen Tagen ist in Eschede ein Flyer der NPD im Umlauf. Er trägt den Titel „Nachbarschaftsbrief“. In diesem Flyer macht die NPD das Angebot, ihre Aufmärsche in Eschede einzustellen, wenn die „Demonstrationen gegen Rechtsextremismus“ nicht mehr direkt vor dem NPD-Hof stattfinden, sondern - wie früher - an der Kreuzung L 281 / Zum Finkenberg.

 

Das „Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus“ lehnt das Angebot der NPD strikt ab. Erst im Herbst letzten Jahres hat das Verwaltungsgericht Lüneburg entschieden, dass die Demonstrationen gegen das Treiben auf dem NPD-Hof direkt vor dem Hof stattfinden dürfen.

 

Regelmäßig finden auf dem Hof Neonazi-Treffen statt. Besonders die „Sonnwendfeiern“ und das „Erntefest“ haben schon eine lange Tradition. Die Neonazis bezeichnen diese Feste als „Brauchtumsfeiern“. Ihr eigentliches Ziel ist es aber, auf diesen Zusammenkünften der norddeutschen Neonazi-Szene Kontakte zu pflegen, Termine abzusprechen und neue Aktionen vorzubereiten. Somit sind diese „Brauchtumsfeiern“ alles andere als harmlos.

 

Recherchen haben ergeben, dass sich seit mindestens 25 Jahren Neonazis auf dem Hof treffen. Wir wissen es erst seit 2007. Seitdem protestieren wir jedes Mal, wenn Rechtsextreme dort zusammenkommen, gegen diese Zusammenkünfte, vor allem gegen ihre menschenverachtende Ideologie.

 

Im Frühjahr 2019 hat der NPD-Landesverband Niedersachsen den Hof gekauft. Die Treffen auf dem Hof haben dadurch eine neue Qualität erhalten. Das ist für uns ein Grund mehr, unsere Demonstrationen nicht mehr 1,7 Kilometer vom Hof entfernt durchzuführen. Bis zum Sommer 2019 durften wir nämlich nur an der Abbiegung zum Hof stehen. Das ist 1,7 km entfernt. Als die Rechtsextremen im September 2019 ihr „Reichserntefest“ feierten, konnten wir zum ersten Mal bis auf 150 Meter vor den Hof. Das hat uns aber keine Behörde erlaubt, sondern das haben wir nur durch eine Klage vorm Verwaltungsgericht erreicht.

 

Hetendorf 13

 

Ich muss unwillkürlich an das frühere Neonazi-Zentrum in Hetendorf, bei Hermannsburg, denken. Nur 20 km von Eschede entfernt. Es hatte 300 Betten und war das größte Zentrum seiner Art im ganzen deutschsprachigen Raum. Betrieben wurde es 20 Jahre lang von dem Rechtsanwalt und Bundesvize der NPD, Jürgen Rieger.

 

Auch in Hetendorf demonstrierten wir Jahre lang ohne sichtbaren Erfolg. Die Behörden meinten sogar, es wäre besser, wenn die Neonazis in dem abgelegenen Heidedorf bleiben würden. Dort könnte man sie besser beobachten. Wir haben daraufhin die Anzahl der Mahnwachen gegen Hetendorf 13 so erhöht, dass wir einmal pro Woche vor dem Zentrum standen. Am Ende hat der damalige niedersächsische Innenminister Glogowski das Zentrum in Hetendorf wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen.

 

Landhotel Gerhus

 

Als Jürgen Rieger zehn Jahre später (2009) das Landhotel Gerhus bei Faßberg durch Neonazis aus Celle besetzen ließ, um daraus ein neues Zentrum zu machen, haben wir sogar täglich vor dem Hotel gestanden. Am ersten Tag unserer Mahnwache waren wir 12 Personen, am siebten Tag schon 350. Am zehnten Tag ordnete das Landgericht Lüneburg an, dass die Nazis das Hotel sofort räumen müssten. Der Gerichtsvollzieher gab den Besetzern 30 Minuten, das Gebäude zu verlassen. Wir blieben, bis der letzte Nazi das Hotel verlassen hatte.

 

NPD-Hof Eschede

 

Müssen wir auch vor dem Hof in Eschede den Druck so erhöhen, dass die NPD es nicht mehr aushält oder die Behörden endlich etwas unternehmen?

 

Der NPD-Hof in Eschede darf auf keinen Fall zu einem Refugium für Neonazis werden darf. Zurzeit verdichtet sich aber der Verdacht, dass die Behörden genau das akzeptieren. Nur so lässt sich auch erklären, warum der Verkauf des Hofes an die NPD so stillschweigend durchgezogen werden konnte. Der niedersächsische Verfassungsschutz hat doch einen Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit extremistischem Hintergrund. Diese Stelle wurde extra eingerichtet, um solche Verkäufe wie hier zu verhindern. Es ist nichts passiert.

 

Diese Halbherzigkeit und Stille müssen endlich aufhören. Es braucht nicht nur klare Worte, es braucht auch ein deutliches Vorgehen gegen extreme Rechte und ihre Strukturen.

 

Demonstrationen gegen NPD-Hof in Eschede

 

Unsere Demonstrationen gegen die Treffen auf dem NPD-Hof Nahtz werden von einer politisch breit aufgestellten, vielfältigen, aber entschlossenen Allianz getragen werden. Zu diesem breiten Spektrum gehören Gewerkschafter und Kirchenleute, Angehörige verschiedenster Parteien, Initiativgruppen gegen Rechtsextremismus, auch „Omas gegen Rechts“ und Leute aus dem „Bunten Haus“ Celle. Wir repräsentieren auf unseren Demos eine große Spannweite der Gesellschaft. Die Behauptung "gegen Rechte demonstrieren ja nur Linke“ ist reine NPD-Propaganda. Die Rechtsextremen versuchen mit diesem Argument darüber hinwegzutäuschen, dass die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft rechtsextremes Gedankengut deutlich ablehnt. Bundesweit beteiligen sich immer mehr Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft an den Protesten gegen Rechtsextremismus, auch an unseren  Demonstrationen vor dem NPD-Hof in Eschede.

Achtung aufgepasst!

Rechtsextreme mischen sich
am Straßenrand unter Passanten.

Rechtsextreme mischen sich am Straßenrand unter Passanten.

Am vergangenen Samstagvormittag (19.9.2020) war ich in Eschede, um den Aufmarsch der NPD zu beobachten. Nur fünf NPDler waren mit ihrem Lautsprecherwagen gekommen. Ein riesiges Polizeiaufgebot schützte sie. Ihre Abschlusskundgebung fand in der Rebberlaher Straße statt, direkt an der B 191. Ich stand auf der gegenüberliegenden Seite und konnte von dort aus den NPD-Auftritt gut verfolgenen.
 
Neben mir stand ein Mann im roten Pulli. Plötzlich ergriff er lautstark das Wort. Die NPD sei ja nicht verboten, meinte er, deshalb müsste man NPD-Redner Sebastian Weigler auch zu Wort kommen lassen. Er ärgerte sich über eine kleine Gruppe von Antifa-Leuten, die mit Trillerpfeifen versuchten, den Redner zu übertönen.
 
Er sei erst vor kurzem nach Eschede gezogen, sagte mein Nachbar im roten Pulli. Seine beiden Töchter würde er wegen der Antifa schon nicht mehr alleine auf die Straße lassen. Eine Frau, die anscheinend zu ihm gehörte, fügte noch hinzu: „Die Antifa hat sogar in unseren Garten gepisst.“
 
Ich erklärte den beiden, dass meines Erachtens von der NPD eine größere Gefahr ausgehen würde als von der Antifa. Deshalb wäre ich heute auch gekommen, um gegen den Auftritt der NPD zu protestieren.
 
Betretendes Schweigen. Doch schon begann mein Gesprächspartner mit einem neuen Thema. Er schimpfte über Geflüchtete. Das wären ja alles nur Schmarotzer, meinte er. Er bekannte sogar, für alle Umstehenden deutlich hörbar, dass er deshalb auch die AFD wählen würde.

Ich hielt dagegen, dass die meisten Geflüchteten vor Krieg, Not und Verfolgung geflohen wären. „Ich bin froh, dass sie sich retten konnten“, sagte ich zu ihm. Eine ältere Frau, die unser Gespräch verfolgte, stimmte mir zu.
 
In dem Moment beendete der Sebastian Weigler seine Ansprache. Die fünf NPDler setzten sich in ihren Lautsprecherwagen und fuhren davon. Als ich mich umdrehte, waren auch mein Gesprächspartner im roten Pulli und seine Begleiterin verschwunden, spurlos.

NPD-ler attackieren Journalisten vorm NPD-Hof

Am Nachmittag ereignete sich vor dem NPD-Hof in Eschede ein bedrohlicher Zwischenfall. NPDler attackierten mehrere Journalisten. Nur mit Mühe gelang es der Polizei, die Journalisten zu schützen. Einer der Journalisten konnte den Vorfall filmen. Er stellte das Video ins Netz.

Als ich mir am nächsten Tag den Film anschaute, staunte ich nicht schlecht, den Typen im roten Pulli wiederzusehen. Er war einer der Rechtsextremen, die die Journalisten attackiert hatten. Erst jetzt wurde mir klar, dass er am Vormittag nicht als neugieriger Passant am Straßenrand stand, um den NPD-Aufmarsch zu beobachten. Nein! Er gehörte zur NPD-Gruppe, die mit ihrem Aufmarsch die Escheder Bevölkerung aufmischen wollte. Er stand aber nicht mit den anderen am Lautsprecherwagen, sondern ganz bewusst unter den Passanten. Dort führte er das Wort.

Die Wortergreifungsstrategie der extremen Rechten

Unwillkürlich wurde ich an die „Wortergreifungsstrategie“ der extremen Rechten erinnert. Der Begriff selbst stammt aus dem Umfeld der NPD und umfasst im rechtsextremen Jargon die Absicht, die Deutungshoheit über soziale, politische und historische Themen zu erlangen sowie Agitation in eigener Sache zu betreiben.

 
Genau das habe ich am Samstagvormittag in Eschede live erlebt: Die Anwendung der Taktik, das Wort zu ergreifen und Themen mit rechter Ideologie zu besetzen. Dabei ist es sogar eine beliebte Gesprächstechnik der Rechtsextremen, die Themen schnell zu wechseln. Sie äußern einen ihrer üblichen Sprüche, z.B. gegen Geflüchtete. Stellt man etwas dagegen oder fragt nach, wissen sie oft nicht weiter und "hüpfen" schnell zum nächsten Thema. Wer jetzt „hinterherspringt“, hat verloren. Stattdessen sollte man sagen: "Du fängst jetzt mit einem neuen Thema an. Heißt das, dass das Du keine Argumente mehr hast?"
 
Die „Wortergreifungsstrategie“ ist ein politischer Kampfbegriff der extremen Rechten. Er zielt darauf ab, das Image vom gewalttätigen Neonazi zu verändern, hin zum argumentierenden "guten Bürger".

Wachsam sein!

Bei den NPD-Aufmärschen in Eschede erscheinen eben nicht nur fünf oder neun Hansel mit ihrem Lautsprecherwagen. Weitere NPDler stehen am Straßenrand und mischen Passanten auf. Auf diese Weise versuchen sie, Stimmung zugunsten der NPD zu machen. 
 
Um solche Angriffe zu verhindern, ist es unerlässlich, sich über die Abwehr solcher Störungen zu informieren. Im Internet finden sich unter dem Stichwort "Streiten mit Neonazis" nützliche Hinweise und Handreichungen. Eigentlich ist der Dialog mit rhetorisch geschulten Rechtsextremen von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Dennoch weisen Aussteiger aus der rechtsextremen Szene nachdrücklich und wiederholt daraufhin, dass sie durch überzeugende Gegenargumente zum Nachdenken gebracht wurden.

Wilfried Manneke

Rückblick auf Demo gegen Winter-Sonnwendfeier der NPD in Eschede


Am 21. Dezember 2019, um 12.30 Uhr, versuchten Mitglieder der NPD und andere Neonazis vom Hof Nahtz bis nach Eschede zu marschieren, um dort mehrere Kundgebungen durchzuführen. Sie kamen aber nicht weit, nur bis an die L 281, wo der Feldweg zum Hof Nahtz beginnt. Gegendemonstranten blockierten nämlich die Landesstraße. So mussten die Neonazis schließlich frustriert umkehren. Ungefähr 650 Gegendemonstranten folgten ihnen zum Hof.

 

Die NPD hatte schon vorsorglich um die Hofstelle einen hohen Sichtschutzzaun aufgestellt. Der frühere Hofbesitzer und NPD-Aktivist, Joachim Nahtz, stand auf einer Leiter hinterm Zaun und schaute zu uns herüber. Als er mich sah, grüßte er und trug dann mit lauter Stimme ein Hetzgedicht gegen die Kirche vor. Das hat er vor zwei Jahren schon ´mal gemacht. Als er mich im Sommer 2017 bei einer Demo am Straßenrand entdeckte, hielt er sofort an, kurbelte die Scheibe herunter und sagte das gleiche Gedicht auf. Ich habe mir nicht alles angehört, dafür war es auch zu lang. Vielleicht hat er das Gedicht schon als Kind im Dritten Reich gelernt.

 

Über den Sichtschutz schaute auch Manfred Dammann, Vorsitzender der NPD in Niedersachsen. Ich konnte ihm ansehen, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass der Demonstrationszug so lang sein würde. Mit einem großen Objektiv fotografierte er alle vorbeiziehenden Demonstranten. Oft stellen Rechtsextreme solche Fotos in soziale Netzwerke, auf Webseiten und in Blogs. Ihr Ziel ist es, die Abgebildeten einzuschüchtern und von weiteren Protesten gegen Rechts abzuhalten.

 

Auf einer großen Wiese neben dem Hofgebäude führten wir schließlich unsere Kundgebung durch. Redner*innen waren u.a. Kirsten Lühmann, Marlies Petersen, Kirsten Dieckmann und ich. Eine junge Frau vom "Bunten Haus Celle" machte den genialen Vorschlag, den Weg zum NPD-Hof umzubenennen. Statt „Zum Finkenberg“ sollte der Weg in Zukunft „Sophie-Scholl-Straße“ heißen. Für diese Anregung erhielt die Rednerin viel Applaus. Viel Zustimmung erhielt auch eine Aktion des „Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus“. Acht Personen hielten nämlich einen riesigen Banner in Richtung des NPD-Hofes. Auf dem Banner standen in großen Buchstaben die Anschrift und Telefonnummer einer Aussteigerhilfe für Neonazis.

 

Die gestrige Demonstration gegen die rechtsextreme Sonnwendfeier auf dem NPD-Hof in Eschede war ein voller Erfolg. Noch nie hatte eine unserer Demos gegen Rechts so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Laut Polizeiangaben waren es 650. Wenn wir aber diejenigen mitzählen, die wegen ihres Alters oder aus gesundheitlichen Gründen die lange Strecke bis zum Ort der Kundgebung nicht mitgehen konnten, kommen wir auf 800 Personen.

 

Auch die Veranstaltung am Abend in der Glockenkolkhalle in Eschede war mit 350 Personen gut besucht. Das Thema lautete: Unsere starke Stimme für Eschede. Im Rahmen eines gemeinsamen Singens von Advents- und Weihnachtsliedern wurde auch hier ein deutliches Zeichen gesetzt gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Die musikalische Leitung hatte Eike Formella (Unterlüß) mit seinem Gospelquartett „Honour & Hope“. Die Hauptansprache hielt die Celler Superintendentin Dr. Andrea Burgk-Lempart. Veranstalter waren die Gemeinde Eschede und die Johanniskirchengemeinde. Ich meine: Es ist wichtig, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme gegen Rechtsextremismus erheben.

Statement zum CZ-Artikel:
„Wir sind nicht zahnlos“


In ihrer Ausgabe vom 30. April 2020 hat die Cellesche Zeitung Sebastian Weigler interviewt. Er ist Landesvorsitzender der Jungen Nationalisten (JN), die offizielle Jugendorganisation der rechtsextremen NPD. Das Interview erscheint in der CZ unter der Überschrift: "Wir sind nicht zahnlos". Ausführlich beschreibt Weigler, welche Pläne die NPD mit dem erworbenen Hof Nahtz in Eschede hat: "Es wird investiert, gewerkelt, und getan, um den Hof zum Bildungsbereich- und Gemeinschaftszentrum des nationalen Niedersachsens weiter aufblühen zu lassen." (https://www.cellesche-zeitung.de/Celler-Land/Eschede/Rechtsextremisten-auf-Hof-Nahtz-veraergert-Wir-sind-nicht-zahnlos)

Wir sind betroffen über diesen Artikel. Wir fragen uns: Wie kann die CZ einer Partei, die demokratiefeindlich und verfassungswidrig ist, nur so viel Raum geben und dann auch noch unkommentiert?

Wir meinen: Die NPD ist eine Bedrohung für unsere Demokratie. Wo sie auftritt, stellt sie die Werte einer offenen Gesellschaft in Frage, hetzt gegen Andersdenkende und Ausländer, leugnet die Verbrechen der NS-Diktatur und schürt antisemitisches Gedankengut. All das ist Grund genug, sich gegen die NPD und ihr Gedankengut zu engagieren.

In dem CZ-Artikel wird von Weigler u.a. behauptet, es seien ja nur linke Störer, die gegen die Betreiber und ihre Veranstaltungen auf dem NPD-Hof demonstrieren.

Gegen diese Darstellung wehren wir uns. Sie entspricht nicht der Wirklichkeit. Unsere Demonstrationen gegen die Treffen auf dem NPD-Hof Nahtz werden von einer politisch breit aufgestellten, vielfältigen, aber entschlossenen Allianz getragen werden. Zu diesem breiten Spektrum gehören Gewerkschafter und Kirchenleute, Angehörige verschiedenster Parteien, Initiativgruppen gegen Rechtsextremismus, auch Omas gegen rechts und Leute aus dem Bunten Haus Celle. Wir repräsentieren auf unseren Demos eine große Spannweite der Gesellschaft. Die Behauptung "gegen Rechte demonstrieren ja nur Linke“ ist reine NPD-Propaganda. Die Rechtsextremen versuchen mit diesem Argument darüber hinwegzutäuschen, dass die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft rechtsextremes Gedankengut deutlich ablehnt. Bundesweit beteiligen sich immer mehr Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft an den Protesten gegen Rechtsextremismus, auch an den Demonstrationen vor dem NPD-Hof Nahtz in Eschede.“

Auf der letzten Demo gegen die rechtsextreme Sonnwendfeier auf dem Hof Nahtz am 21.12.2019 waren wir übrigens nicht - wie die NPD behauptet - nur 150 Gegendemonstranten, sondern ca. 650 Teilnehmer. Der größte Teil der Gegendemonstranten waren Bürger aus Eschede.

Wilfried Manneke

Statements

Stellungnahmen
zur Demo am 20. Juni 2020 in Eschede

Celler Forum
gegen Gewalt und Rechtsextremismus

... nimmt Stellung zu den Ereignissen in Eschede am 20. Juni 2020 und der Berichterstattung anlässlich des NPD-Aufmarsches.


Am 20.06.2020 fand eine vom Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus angemeldete Demonstration in Eschede gegen das Treiben auf dem NPD-Hof statt.

Schon am Vormittag, als die Nazis von der JN ihren Aufmarsch durch Eschede durchführten, fanden von Nazigegner*innen Blockade- und Störaktionen gegen diesen Aufmarsch statt. Daran nahmen bis zu 350 Menschen teil. Die Aktionen waren erfolgreich: die Nazireden gingen im Lärm unter, ihre Demonstrationsroute war deutlich verkürzt und sie müssten eigentlich gemerkt haben, dass niemand daran interessiert ist, ihrer Hetze zuzuhören. Auch Escheder riefen der Polizei entgegen „Hört auf“, als diese mit unnötiger Härte gegen diejenigen vorging, die die Nazidemonstration blockierten.

An der Demonstration zum NPD-Hof nahmen ebenfalls ca. 350 Menschen teil. Es wurden mehrere Reden gehalten, die sich mit der extremen Rechten und Rassismus beschäftigten. Auch sehr persönliche Ansprachen waren dabei. So wurde an unseren Freund und Mitstreiter Klaus Jordan gedacht, der vor einem viertel Jahr verstorben ist. Ebenso wurden an Arkan Hussein Khalaf erinnert, der im April dieses Jahres in Celle ermordet wurde. Besonders kritisiert wurde, dass unmittelbar nach der Tat sofort ausgeschlossen wurde, dass es sich um eine rechts motivierte Tat handeln würde. Das wurde dann zwar später revidiert, aber erst nachdem Journalist*innen recherchiert hatten und Indizien für einen neonazistischen Hintergrund lieferten. Es sprachen der Intendant des Celler Schlosstheaters, Andreas Döring, Klaus Burckhardt, pensionierter Pastor und Mitstreiter gegen das Nazizentrum in Hetendorf in den 1990er Jahren, Anna Jander und Wilfried Manneke vom Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus, Yilmaz Kaba (Die Linke), Kirsten Lühmann (SPD), Dirk Gerlach (Die Partei) und Dirk Garvels vom Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus.

An beiden Aktionen waren Menschen aus Norddeutschland, darunter viele  aus dem Landkreis Celle und auch aus dem Ort Eschede beteiligt.

Die von uns angemeldete Demo richtete sich gegen das Treiben auf dem NPD Hof. Der NPD wurde von höchstrichterlicher Seite Verfassungsfeindlichkeit attestiert.

Das Datum für unsere Demonstration war mit Bedacht gewählt: Die Sonnenwende wird seit Jahren auf dem NPD-Hof bei Joachim Nahtz gefeiert und dieses Treffen genutzt zur Vernetzung, innerer Stärkung und Indoktrination von Kindern und Jugendlichen.

Seit die NPD sich nicht mehr nur auf diesen Hof zurückzieht sondern ihre nazistischen Inhalte in das Dorf Eschede tragen will, in Form von Kleinstdemonstrationen, wehrt sich auch ein großer Teil der Dorfgesellschaft in Eschede.

So war es auch am vergangenen Samstag. Viele Escheder haben an den Protesten im Ortsinneren teilgenommen und ebenfalls an der Demonstration zum NPD-Hof.

In der Celleschen Zeitung vom 22.06.2020 wurden die Aktionen gegeneinander gestellt: Im Dorf die direkten Auseinandersetzungen mit den Nazis, vor dem NPD-Hof die „Friedliche Demonstration“. Das suggeriert, dass die Aktionen gegeneinander stehen würden.

Dazu sagen wir klar und deutlich: Die beiden Aktionen beziehen sich aufeinander und haben das selbe Ziel, nämlich „Kein Fußbreit den Faschisten“.

Beide Aktionen hatten ihre Berechtigung. Im Ort wurde versucht zu unterbinden, dass die Nazis ihre faschistische Propaganda verbreiten können. Auch wenn die Nazidemo mit neun Teilnehmenden erwartungsgemäß klein war, so ist es dennoch richtig, dagegen vorzugehen. Bei der Demonstration am Nachmittag vor dem NPD-Hof wurde auf die Bedeutung des NPD-Hofs für die Naziszene hingewiesen und den dort anwesenden Alt- und Neonazis deutlich gemacht, dass sie nicht unbeobachtet machen können, was sie wollen.

Bei beiden Aktionen waren so viele Menschen, dass es nicht notwendig war, eine der Aktionen abzubrechen um die andere zu unterstützen. Das war gut so und wir, das Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus, bewerten die Aktionen vom vergangenen Samstag, die unmittelbar zusammengehören, als Erfolg. Wie verwehren uns gegen den Versuch einer Spaltung.

Wir wollen verdeutlichen, dass beide sich aufeinander beziehenden Aktionen richtig und wichtig sind. Argumente dafür, dass es richtig ist Nazipropaganda zu verhindern, lieferte Weigler, der Sprecher der Nazidemo selber. Er bestand darauf mit seinen acht „Kameraden“ zu einem bestimmten Ort zu gelangen. Um das durchzusetzen forderte er die Polizei auf, den Kreuzungsbereich notfalls mit  Waffengewalt zu räumen. Damit hat sich der Nazi Weigler eindeutig für alle Zeit als Demonstrationsleiter und -anmelder jeglicher Art von Versammlungen disqualifiziert. Er nannte Namen von Eschedern, die er dafür verantwortlich machte, dass der Naziaufmarsch blockiert wurde, er bezeichnete Journalist*innen als Handlanger “linker Verbrecherbanden“. Er drohte damit, dass Eschede weiterhin mit Nazipropaganda zu rechnen hat, wenn die Demonstrationen zum NPD-Hof nicht aufhören und Eschede nicht zu einer Koexistenz mit ihnen bereit ist. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: „Koexistenz mit Nazi“. So etwas wird es mit uns nie geben!

Die Worte Weiglers, nämlich, dass die NPD Eschede unter Druck setzen will, die Demonstrationen nicht mehr bis zum NPD-Hof durchzuführen, machen mehr als deutlich, wie richtig und wichtig auch die Demonstration zum NPD-Hof am 20.06.2020 in Eschede war. Ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit dieser Demonstration ist, dass dort wieder mindesten 15 Nazis während unserer Demonstration anwesend waren. Weitere reisten noch an, nachdem wir unsere Versammlung beendeten. Es ist zu befürchten, dass die Nazis ihr angeblich abgesagtes Sonnwendfest trotz Corona Auflagen durchführten. Nach unseren Kenntnissen waren abends über 20 Personen auf dem NPD-Hof und soweit wir wissen, wurden keine Kontrollen bezüglich Corona Maßnahmen dort durchgeführt.

Wir werden nicht locker lassen. Die Reaktionen der Nazis zeigen, dass unsere gemeinsamen Aktionen im Dorf und vor ihrem Gelände Wirkung zeigen: sie sind genervt und nicht mehr unbeobachtet. Ihnen ist deutlich gemacht worden, dass sie und ihre Propaganda unerwünscht sind – in Eschede und überall.



Freitag, 26. Juni 2020

Lesermeinung:

Friedliche Demonstration

Zu den Berichten „NPD kommt nicht zum Ziel“ und „Feind ist NPD, nicht die Polizei“(Cellesche Zeitung vom 22. und 23. Juni).


Sehr ausführlich berichten Sie über die Geschehnisse im Ortskern von Eschede. Das

dort zum Teil rabiate Vorgehen von vermummten Demonstranten ist in keiner Weise zu rechtfertigen. Das betone ich ausdrücklich. Höchst bedauerlich aber ist, dass Sie nur in einem Ihrer Berichte einen kleinen Platz gefunden haben, um von einer ganz anderen Art einer Demonstration am gleichen Tag auch in Eschede zu schreiben. Denn nördlich des Bahnhofs Eschede traf sich eine Gruppe von etwa 350 Menschen, um friedlich zu demonstrieren. Mit aussagekräftigen Plakaten, mit intelligent gestalteten Transparenten, immer den nötigen Abstand wahrend, alle mit buntem Mund- und Nasenschutz zogen diese Menschen in Richtung Nazihof. Alles in großer Ruhe. Dort erfolgten Redebeiträge von Vertretern aus der Gewerkschaft, der Kirche, von Kulturschaffenden sowie Politikern.

Beiträge, die äußerst hörenswert, klar und deutlich formuliert waren. Erfreulich war auch die Teilnahme vieler junger Menschen. Schade, dass Sie Ihren Lesern eine so wichtige und aktuell notwendige Information über diese friedliche Demonstration vorenthalten haben. Ich bin überzeugt, es wäre eine Chance gewesen, künftig noch mehr Menschen für friedliche Demonstrationen gegen Gewalt, gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu gewinnen. (...)

Im Übrigen: Die Gemeinde Eschede hat sich (leider) erst seit kurzer Zeit dieses Themas angenommen. Das ist zu begrüßen. Manchmal dauern gute und wichtige Dinge eben etwas länger.

Gudrun Jahnke

Celle

Landfriedensbruch

... nimmt Stellung zu den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Eschede und der öffentlichen Debatte danach.


https://eschedenazifrei.noblogs.org/post/2020/06/27/stellungnahme-zu-den-protesten-gegen-den-naziaufmarsch-in-eschede-und-der-offentliche-debatte-danach/

1. Berichterstattung und "Gewalt"

Nachdem wir vergangenen Samstag in Eschede gemeinsam mit Anwohner*innen gegen den Aufmarsch der NPD demonstriert haben, möchten wir die Gelegenheit ergreifen und uns zum Ablauf des Tages und vor allem zur Berichterstattung äußern.

Bei Demonstrationen gegen Nazis gibt es bei der Berichterstattung oft dieselben Muster nach denen gearbeitet wird. Die Arbeit der Polizei wird nur in seltenen Fällen kritisch beleuchtet und der eigentliche Anlass der Gegendemo (die Verhinderung eines Aufmarsches von gewaltbereiten Faschisten) rückt meist in den Hintergrund. Der Fokus liegt dann oft darauf, wie sich Gegendemonstrant*innen verhalten haben. So ist es nun auch erwartungsgemäß in Eschede passiert.

Die Lokalzeitung "Cellesche Zeitung" hatte für die Veranstaltung einen Live-Ticker geschaltet, der sich, wenn man an dem Tag vor Ort war, etwas kurios liest.
So wird ein Bild gezeichnet, dass den Eindruck erweckt, die Polizei hätte den Tag total souverän über die Bühne gebracht und zu jeder Zeit die volle Kontrolle über das Geschehen gehabt. Tatsächlich war über den gesamten Tag immer wieder zu beobachten, dass die Polizei extrem nervös und überfordert war. Was letztlich auch ein Grund dafür gewesen sein kann, dass sie in ihrer Kopflosigkeit bei den kleinsten Unruhen der Demonstrant*innen sofort Gewalt und Pfefferspray angewandt hat. Hierbei muss man sich vor Augen halten, dass die Bereitschaftspolizei am ganzen Körper gepanzert und behelmt ist und mehr oder weniger gut ausgebildet in körperlichen Auseinandersetzungen ist; fast alle Polizist*innen waren auch den ganzen Tag über mit Sturmhauben vermummt. Die Gegendemonstrant*innen waren zum Großteil Jugendliche und stellten zu keinem Zeitpunkt eine akute Gefahr für irgendwen dar.

Vor dem Hintergrund der offensichtlichen Überforderung der Beamt*innen war es umso verwunderlicher, dass der Aufmarsch der 9 (!) Neonazis soweit ausgereizt werden konnte. Bereits in den frühen Mittagsstunden war klar, dass der Gegenprotest von Erfolg gekrönt ist und die Nazis nicht weiter laufen können, da eine zentrale Kreuzung des Aufmarschs der Rechten von mehreren hundert Gegendemonstrant*innen blockiert war. Eine solche Blockade eines Naziaufmarsches gilt als ziviler Ungehorsam. Die Polizei setzte dennoch alle Hebel in Bewegung, um den Aufmarsch der NPD zu ermöglichen und das ganze Theater der Faschisten im bizarren Auftritt von Sebastian Weigler auf dem leeren Parkplatz der Volksbank gipfeln zu lassen.

Völliges Unverständnis lösen bei uns auch die angekündigten Anzeigen Polizei gegen antifaschistische Demonstrant*innen aus. Wer vor Ort war, wird wissen, wer hier tatsächlich gewalttätig war. Spannend wäre hierbei auch, warum es weder die Polizei noch die Presse für nötig hält zu erwähnen, dass Neonazi Sebastian Weigler Schusswaffengebrauch gegen Demonstrant*innen forderte, um die Blockade der Route zu räuumen oder der mehrfach vorbestrafte Pierre Bauer zunächst ohne Einschränkung als Ordner auftreten durfte, bis Medienvertreter*innen darauf aufmerksam machten, dass Bauer ein verurteilter Gewaltverbrecher ist.

Die Polizei verkaufte den Tag im Nachgang als Erfolg für sich und stellte Gegendemonstrant*innen wörtlich als Angreifer dar. Zum wiederholten Mal hat sich Sebastian Weigler in Szene gesetzt und die Lokalpresse ist wie in der Vergangenheit brav über sein Stöckchen gesprungen. In einem Video von "Celle Heute" das mit "Unzensiert - unkommentiert" wirbt, sind nach einem kurzen Kommentar von Bürgermeister Günter Berg noch einige ausgewählte Szenen von Rangeleien zu sehen. Diese wollte "Celle Heute" dann doch irgendwie kommentieren:

"Die überwiegend friedliche Gegendemonstration wurde vereinzelt durch Chaoten gestört. Dabei kam es zu Übergriffen und Beleidigungen gegenüber Polizist*Innen."

Diese selektive Darstellung dürfte ganz im Sinne von Weigler sein, der stets bemüht ist, sich und die NPD als friedlich dazustellen.

2. Vermummung und Protestformen

Bei mehr oder weniger regelmäßigen Nazi-Veranstaltungen im ländlichen Bereich dauert es erfahrungsgemäß nicht lange, bis von den Anwohner*innen Sorgen zu hören sind. Allerdings keine Sorge vor dem Offensichtlichen - der Landergreifung durch Neonazis - sondern Sorge vor Unruhe im Dorf, vor "krawallmachenden Linken", vor einem Imageschaden der Region. Als Ursache dafür werden meist Demonstrant*innen von Außerhalb herangezogen. Es wird unterstellt, dass man ja nur Anreisen würde um vor Ort Krawall und Terror zu verbreiten und dann wieder abzuhauen. Gebetsmühlenartig wird wiederholt, dass Protest friedlich ablaufen muss und dass man ja nicht nur gegen Rechtsextremisten sondern auch gegen Linksextremisten (sic) ist.

Dies verschleiert das eigentliche Problem für die Öffentlichkeit. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Kommentar des Bürgermeisters Günter Berg zum vergangenen Samstag in einem Video von "LokalHeute". Günter Berg sagt zwar deutlich, dass er die NPD nicht im Ort haben will, lässt aber auch durchblicken, dass er eigentlich ganz zufrieden damit war, als noch nicht vor dem Hof demonstriert wurden durfte und man die Nazis bequem "wegignorieren" konnte. Fast im selben Atemzug verurteilt er das antifaschistische Engagement eines Teils der Gegendemonstrant*innen. Er findet das Ganze "nicht schön" und ist der Meinung, das ist etwas, das man "aushalten" müsse.

2.1  Hierbei gibt es im Grunde zwei Probleme:

Die Nazis können sich selbst als "friedlich" und bürgernah darstellen, da sie zwar als unerwünscht benannt werden, das Auftauchen von Gegendemonstrant*innen aber als das eigentliche Ärgernis beschrieben wird.

Es ist ein weit verbreiteter Trugschluss, dass Nazis nur ein Problem für den Ort sind, an dem sie sich Treffen. Das Problem hat eine viel größere Dimension: Gerade Orte wie der Hof Nahtz in Eschede werden in erster Linie zur Vernetzung und Schulung von Faschist*innen genutzt. Und werden damit früher oder später oft zu einem viel größeren Problem an einem möglicherweise ganz anderen Ort. Damit sind solche Treffpunkte eine berechtigte Sorge für alle Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passen und eben nicht nur für die Leute vor Ort.

Uns ist klar, dass die Anwohner*innen in Eschede andere Protestformen als wir wählen, dass sie andere Sorgen und Wünsche im Umgang mit dem Hof Nahtz haben und dass es für sie vielleicht verstörend wirkt, wenn Antifaschist*innen von außerhalb dort ihren eigenen Protest durchziehen. Wir sind aber gerade wegen der unterschiedlichen Ansätze solidarisch mit allen Eschedeer*innen, die sich den Nazis in den Weg stellen. Wir müssen nicht auf allen Ebenen derselben Meinung sein, um an einem Strang zu ziehen. Ziviler Ungehorsam - wie in diesem Fall durch das friedliche Besetzen eines Platzes auf der eigentlichen Naziaufmarsch-Route -  ist ein wichtiges Mittel in der Demokratie, da dadurch verhindert werden kann, was durch eine einfache Demonstration nicht erreicht werden kann, nämlich das gleichzeitige Nutzen derselben Strecke (in diesem Fall) durch die Nazis. Es ist ein legitimes und notwendiges Mittel, um solche Aufmärsche zu verhindern. Um zu dieser Einsicht zu kommen, muss man sich nur die Entwicklung der Proteste in Bad Nenndorf anschauen. Es war dort ein langer Weg, bis sich etwas zum positiven gewandt hat, letztlich hat sich die Kooperation verschiedener Gruppen und Bündnisse jedoch ausgezahlt. Durch die gemeinsame Blockade der Naziroute durch die verschiedensten Gruppen konnte der Protest gegen die braunen Aufmärsche dort schließlich erfolgreich werden.

Da abzusehen ist, dass das Nazi-Problem in Eschede noch länger andauern wird, müssen wir gemeinsam einen langen Atem beweisen und uns auf unser gemeinsames Ziel konzentrieren.

2.2   Gesicht zeigen gegen Rechts?

Immer wieder taucht bei Demonstrationen in ländlichen Regionen die Frage bei Anwohner*innen auf, warum sich die Demonstrant*innen denn vermummen müssen, wenn man nicht kriminell sei, müsse man sich nicht verstecken und gegen Rechte kann man ruhig sein Gesicht zeigen. Hierbei gibt es leider ein Problem: Wie man vergangenen Samstag gut beobachten konnte, sind die Nazis sehr eifrig dabei, Gegendemonstrant*innen mit einem Teleobjektiv im Porträt abzulichten. Das tun Nazis in der Regel nicht, weil sie uns so toll finden, sie sammeln Informationen, Bilder und Details über Aktivist*innen, um diese persönlich im privaten Bereich angreifen zu können. Dass das nicht an den Haaren herbei gezogen ist, sondern ein Problem für jede*n werden kann, zeigte jüngst ein Anschlag auf eine Aktivistin in Einbeck bei Göttingen, bei dem am Wohnhaus der Betroffenen Sprengstoff gezündet wurde.

Das einige Demonstrant*innen also eher weniger Lust darauf haben, ihr Gesicht in jede Kamera zu halten, sollte nachvollziehbar sein.

3. Die Notwendigkeit von solidarischem Protest

Ein weiterer Punkt der Antifaschist*innen oft vorgeworfen wird, ist die Annahme, dass man nur anreisen würde, um vor Ort Krawall zu machen, ein paar Steine zu schmeißen und johlend wieder nach Hause zu fahren. Ob man es glauben mag oder nicht: Die meisten Demonstrant*innen könnten sich ihre Freizeitgestaltung an einem sonnigen Samstag auch anders vorstellen.

Würden Landkreis und Behörden ihrer Arbeit nachkommen und nach Möglichkeiten suchen, um das Nazizentrum auf dem Hof Nahtz dicht zu machen, würde sich wohl kaum eine*r berufen fühlen, nach Eschede zu fahren und sich dort mit Pfefferspray angreifen zu lassen. Es ist das Ohnmachtsgefühl und die Enttäuschung über das Politikversagen, die junge Menschen dazu animiert, sich gegen Neonazis einzusetzen.

Ein Ort wie Eschede muss sich eben auch am Erfolg des bisherigen Protestes messen lassen. Den Ort zu schmücken und Stände an der Kreuzung zum Hof aufzubauen, ist nur eine von unzähligen Protestformen und war in den letzten 25 Jahren leider von wenig Erfolg gekrönt. Man muss sich auf vielfältige Art den Nazis in den Weg stellen, auf eine Art, die für sie unbequem und auf Dauer zum Problem wird. Sich als Dorfgemeinschaft couragiert Nazis zu widersetzen bringt einem keinen schlechten Ruf ein - im Gegenteil! Es ist schließlich wenig Image-fördernd und wenig attraktiv, über ein Vierteljahrhundert einen Bundesweiten Nazistützpunkt im Ort zu haben. Das lässt sich nicht verschweigen und wird nicht besser, indem man mit dem Finger auf Gegendemonstrant*innen zeigt.

Welchen privaten Vorteil sollten die Antifaschist*innen haben, in einen kleinen Ort in der Südheide zu reisen und dort Stundenlang in der prallen Sonne auszuharren, die Polizei im Nacken zu haben und sich im Nachgang noch als Gewalttäter darstellen zu lassen. Diese Leute haben das auf eigene Kosten und in ihrer sowieso schon raren Freizeit getan, ohne dafür irgendetwas zu erwarten - sie nicht öffentlich zu beschimpfen, wäre aber das mindeste.

#DankeAntifa!

Anita Förster - Pressesprecherin