Ansprache von Jürgen Uebel auf der Demo gegen Rechtsextremismus in Eschede am 25. September 2021
Anmerkung der Redaktion:
Mit friedlichen und bunten Protesten gingen Jürgen Uebel, Vorstandsmitglied von „Bad Nenndorf ist bunt e.V.“, und seine Mitstreiter*innen erfolgreich gegen die rechte Szene vor. Dafür wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Am 25. September 2021 war Jürgen Uebel einer der Redner auf der Demo gegen das rechtsextreme Erntefest auf den NPD-Hof. In seiner Ansprache wendet er sich auch an die Bürgerinnen und Bürger in Eschede.
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Mein Name ist Jürgen Uebel, und ich spreche hier für das Bündnis gegen Rechtsextremismus „Bad Nenndorf ist bunt“.
Seit langem unterstützen wir die Escheder im Kampf gegen den Nazihof, genauso wie sie uns unterstützt haben gegen die 10 Jahre währenden sogenannten „Trauermärsche“ in Bad Nenndorf. Als Kameradschaftsnazis mit Unterstützung der NPD im Jahre 2006 begannen, einmal jährlich in Bad Nenndorf ihren Heuchlermarsch durchzuführen, stellten sie eine Reihe von Forderungen. Unter anderem sollte eine Gedenktafel am Wincklerbad angebracht werden, deren Text sie natürlich bestimmen wollten. Wenn die Stadt Bad Nenndorf dem nicht Folge leiste, würde man jedes Jahr wiederkommen. Einige Politiker im Stadtrat begannen dann ernsthaft eine Diskussion darüber, ob man der Forderung nicht nachkommen solle, zumindest in etwas abgewandelter Form. Zum Glück konnten sie davon überzeugt werden, dass Verhandlungen mit Nazis und Eingehen auf ihre Forderungen eine Kapitulation der Demokraten bedeutet und ein absolutes No-Go sind!
10 Jahre lang haben Demokraten und Antifaschisten aus dem Landkreis Schaumburg, aus Niedersachsen und der ganzen Republik sich den Faschisten widersetzt, bis diese dann endlich 2016 entschieden haben, uns nicht weiter zu belästigen und Bad Nenndorf künftig zu meiden. Der breit aufgestellte, konsequente, fantasievolle und langjährige Widerstand gegen Nazis und ihre menschenfeindliche Ideologie hat dazu geführt, dass seit 2010 immer weniger von ihnen an den Propagandamärschen teilnehmen wollten und es ihren Führern schließlich peinlich war, dort gesehen zu werden. Der Widerstand hat dazu geführt, nicht Einknicken vor der Erpressung, nicht Verhandeln mit ihnen!
Daran musste ich sofort denken, als ich von den Versuchen der NPD hörte, durch Drohungen mit weiteren Aufzügen in Eschede ein Fernbleiben von ihrem Nazihof zu erreichen. Was Dammann in seinem Flyer schreibt, ist komplett lächerlich! Einen „Runden Tisch mit allen Beteiligten“ wünscht er sich, „Vorwürfe und Vorurteile würden der Realität weichen, und die Blockade des öffentlichen Lebens wäre vorbei.“ Das Recht, direkt am Nazihof zu demonstrieren, haben sich Antifaschisten vor Gericht erstritten, nach jahrelangem Fernhalten durch das zuständige Ordnungsamt. Das soll am „Runden Tisch“ rückgängig gemacht werden? Träum weiter, Nazi! Mein Fazit: Hier hat einer Kreide gefressen und flötet ein Schlaflied! Der Dichter Ludwig Thoma hat das in einem Gedicht von 1913 so beschrieben:
Der Fuchs stand vor dem Hühnerstalle
Und merkte in der Winternacht,
Die Einschlupflöcher waren alle
Just seinetwegen zugemacht.
Da fing er jämmerlich zu klagen
Und bitterlich zu weinen an:
Warum wollt ihr nur mich verjagen,
Der euch doch nie ein Leid getan?
Ihr guten Hühner, hört die Bitte!
Ihr seid so viele, ich allein,
Der kleinste Platz in eurer Mitte
Genügt, und ich will glücklich sein!
Das Federvieh hat lang beraten,
Und manches wohlerfahrne Huhn
Vermeinte, was sie früher taten,
Das würden Füchse immer tun.
Doch gab es viele ganz Gerechte,
Die waren aus Prinzip dafür,
Dass keinem aus dem Tiergeschlechte
Verschlossen bleibe ihre Tür.
Kaum war die weise Tat geschehen,
War von dem ganzen Hühnerhof
nichts mehr als das Prinzip zu sehen,
und Krallen und ein Federschwof.
Wer ist Manfred Dammann, der Landesvorsitzende der NPD Niedersachsen? Hier in Eschede hat man bis 2019 nichts von ihm gehört, bis er dann für die NPD den Hof von Joachim Nahtz kaufte. Zusammen mit dem stellvertretenden Landesvorsitzenden, Andreas Haack, betreibt er das Internet-TV-Format „Nordland TV“. Dort konnte 2017 Horst Mahler, mehrfach verurteilter Holocaust-Leugner, in einem Video minutenlang seine Hetze und Weltverschwörungstheorien ausbreiten. Auf der Facebook-Seite von „Nordland-TV“ wird der verurteilten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck gehuldigt. Dammann ist Erstunterzeichner der Proklamation des völkischen Flügels der NPD, ebenso wie Manfred Börm, der regelmäßig auf dem Nazihof verkehrt. In dieser Proklamation von 2018 findet man unter anderem folgende Aussagen: „Der Völkische Flügel ist ein Zusammenschluss von Mitgliedern der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Freunden derselben und parteilosen Kräften …. Deutscher kann demzufolge immer nur derjenige sein, der deutsche Eltern hat, welche deutschen Abstammungsgemeinschaften als Nachfahren zuzurechnen sind oder in der ein Elternteil entsprechend deutsch und der andere Elternteil zumindest europider Abstammung ist... Damit eine politische Kampfgemeinschaft funktionieren und erfolgreich wirken kann, sind grundsätzliche Gemeinsamkeiten nötig…. Zudem muss das notwendige Gemeinschaftsgefühl wiederhergestellt werden…. Durch eigene Projekte, Veranstaltungen, Schulungen, Medien und Sprecher, wird der Völkische Flügel aktiv, kreativ und konstruktiv am Parteigeschehen mitwirken ...“
Nun wird auch klar, was er meint, wenn er in einem YouTube-Video sagt: „Wir sind hier, weil wir eine ganz gewisse Idee verfolgen, weil wir dieses Eschede zu einem Gemeinschaftszentrum ausbauen wollen!“ Ein rassistisches, fremdenfeindliches, antisemitisches und völkisches Kampfgemeinschaftszentrum soll es werden, und am besten ganz Eschede gleich mit. Es wird Escheder geben, die sagen: Wird schon nicht so schlimm werden, und schließlich ist die NPD ja nicht verboten! Zweimal gab es einen Verbotsantrag, zweimal wurde der abgelehnt vom Bundesverfassungsgericht, nämlich 2003 und 2017. Also dürfen die doch ihr „Kampfgemeinschaftszentrum“ bauen!
Nein, dürfen die nicht! Sage ich. Warum? Es lohnt sich, einen Blick in die Begründung von 2017 des Bundesverfassungsgerichtes zur Ablehnung des Verbotsantrages zu werfen. In dem Urteil wird nämlich festgestellt, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wolle sich für die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung einsetzen. Auch sei die Partei wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus.
Darauf verwiesen unter anderem ihre antisemitische Grundhaltung und ihr Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP. Die bestehende Verfassungsordnung wolle die rechtsextreme Partei durch einen autoritären Nationalstaat ersetzen und arbeite auf dieses Ziel aktiv und geplant hin. Das Bundesverfassungsgericht sieht aber derzeit keine konkreten Hinweise, dass die Partei mit ihrem Handeln erfolgreich sein könnte. Daher sei das Parteiverbot als präventive Maßnahme des Schutzes der Verfassung nicht notwendig. Stattdessen könne auf das bestehende Polizei- und Strafrecht zurückgegriffen werden, um auf Einschüchterungen, Bedrohungen und den Aufbau von Gewaltpotentialen durch die NPD zu reagieren. Übersetzt heißt das: Die NPD ist eine Ansammlung übler Faschisten, aber es sind so wenige, dass sie die Demokratie nicht kippen können. Polizei und Gerichte machen das schon, verlasst Euch nur auf Sie.
Bei allem Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht: Ich bin mir da nicht so sicher, dass „der Staat“ das schon macht. Ich will jetzt gar nicht auf die lange Liste an Fehlleistungen von Politik, Polizei und Verfassungsschutz im Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds eingehen, auch nicht auf rechtsextreme Netzwerke in Teilen der Polizei und der Bundeswehr. Auch nicht auf die Weigerung der Staatsanwaltschaft Zwickau, gegen die plakatierten Mordaufrufe der rechtsradikalen Partei „Der 3.Weg“ mit dem Text „Hängt die Grünen!“ einzuschreiten. Ich frage mich allerdings, wo „der Staat“ hier in Eschede war, als Joachim Nahtz seinen Hof an die NPD verkauft hat! Es gibt einen niedersächsischen Verfassungsschutz, der hat einen Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund. Die Grünen-Abgeordnete Julia Hamburg hat eine Kleine Anfrage im Landtag gestellt zu diesem Vorgang, und auf ihrer Internetseite sind die sehr interessanten Antworten der Landesregierung abgebildet. Der Hof wurde Ende Februar 2019 an die NPD verkauft, das Innenministerium erfuhr Mitte Mai davon, der Immobilienbeauftragte des Verfassungsschutzes wusste von nichts, trotz V-Leuten in der NPD, trotz Ankündigungen von Dammann auf dem Landesparteitag 2018, man werde das räumliche Problem (nämlich keine geeigneten Räume für Parteitage zu bekommen wegen Weigerung der Inhaber, an Nazis zu vermieten) bald lösen. Hier haben sich weder die Gemeinde Eschede noch das Land Niedersachsen mit Ruhm bekleckert, und nun haben wir den Salat: Weil die NPD eine nicht verbotene Partei ist, hat sie aufgrund des Parteienprivilegs deutlich mehr Rechte und Anspruch auf Schutz durch den Staat als ein Nazilandwirt mit einer Schrottimmobilie. Die Chance, das faschistische Treiben auf dem Nazihof bald zu beenden, ist also nicht grösser geworden!
Dennoch bin ich zuversichtlich, dass sich in Eschede etwas ändert, und zwar zum Positiven. Ich habe den Eindruck, dass immer mehr Escheder kritisch hinterfragen, wozu die NPD den Ort instrumentalisieren will. Klar ist, es soll ein völkisches, nationalistisches Kampfgemeinschaftszentrum auf dem Nazihof entstehen. Klar ist, es sollen nicht nur einige wenige „Ewiggestrige“ angesprochen werden, sondern Dammann will im Sinne der Proklamation des „Völkischen Flügels“ ein Zentrum für die rechtsnationale Bewegung schaffen, ein Leuchtturmprojekt.
Wollen die Escheder das? Wollen Sie deutschlandweit, ja international das Nazidorf sein?
Genau diese Frage stellte sich in Bad Nenndorf in den Jahren 2006 bis 2016. Wenn man Bad Nenndorf gegoogelt hat, kamen erstmal nur Artikel zu Naziumtrieben. Wenn man zu Tagungen oder überregionalen Treffen von zum Beispiel Sportverbänden gefahren ist und sagte, ich komme aus Bad Nenndorf, hieß es: Ach, das Nazikaff! Touristen recherchieren im Internet, wohin sie fahren wollen, und so etwas ist keine Empfehlung, es sei denn, man ist eben auch Nazi. Wenn Eschede dem Treiben der NPD nur zuschaut und sagt, „Ach, lass die doch machen auf ihrem Hof, die tun doch keinem was“, werden Sie ein bestimmtes Label bekommen, daran kann die beste Imagekampagne nichts ändern. Andererseits kann ein kreativer, fantasievoller und entschlossener Widerstand gegen solche Importnazis auch sehr positive Schlagzeilen bringen – siehe ebenfalls Bad Nenndorf ! Die Escheder und Eschederinnen werden nicht umhinkommen, Stellung zu beziehen, auch wenn es nicht leichtfällt. Es geht nicht darum, das Treiben von ein paar Spinnern zu tolerieren oder eben auch nicht. Es geht darum, ob sich ein Ort von Nazis instrumentalisieren lässt, und das in einer Zeit, in der die Demokratie deutschland- und weltweit bedroht ist.
Was würde wohl der Escheder Ehrenbürger Györgi Tabori zu all dem sagen? Er starb 2007, wir können ihn nicht mehr fragen. Er floh 1933 aufgrund seiner jüdischen Abstammung aus Deutschland, sein Vater wurde in Ausschwitz ermordet, dennoch kehrte er 1971 nach Deutschland zurück. Im Jahr 2000 wurde er zum Ehrenbürger von Eschede, nachdem er mehrfach beim „Heide(n)spektakel“ aufgetreten war. Würde er sich mit Dammann an einen Tisch setzen?
Und eines noch: wir hätten in Bad Nenndorf unser Ziel, nämlich „Schluss mit den Trauermärschen“, nicht erreicht ohne Unterstützung vieler Antifaschisten von nah und fern! Auch bei uns haben Teile der Lokalpolitik und einige Medien sowie Vertreter von Polizei und Genehmigungsbehörden versucht, in gute und schlechte Antifaschisten zu unterteilen. Wie oft wurden wir aufgefordert, uns von schwarzgekleideten Demoteilnehmern, Sitzblockaden oder anderen Aktionen des zivilen Ungehorsams zu distanzieren und sie von unseren Demos auszuschließen! Manchen diente die Teilnahme der „Antifa“ als billiger Grund, selber Demos fernzubleiben und sich dabei auf der „guten Seite“ zu wähnen. Wir haben diese Spaltung immer abgelehnt!
Wer hat denn im Jahre 2006 in Bad Nenndorf auf Neonazis und Kameradschaftsstrukturen aufmerksam gemacht? Das waren junge Leute der Antifa, und nicht etwa Lokalpolitiker oder regionale Medien! Die ersten Demos in den Jahren 2006 bis 2008 gegen die sogenannten „Trauermärsche“ in Bad Nenndorf wurden von der Antifa organisiert und besucht – die Nenndorfer waren von den Naziaufmärschen zwar keineswegs begeistert, aber nur eine Handvoll Ortsansässiger hat sich damals an den antifaschistischen Demos beteiligt. Das dicke Brett wurde weitergebohrt, mehr Nenndorfer erkannten, dass wir unseren Widerstand gegen Nazis klar und deutlich zeigen müssen, wenn wir etwas erreichen wollen. Die stundenlange Sitzblockade von über 300 Menschen vorm Wincklerbad im Jahre 2013 in Nenndorf war eine spontane Aktion, an der sich Nenndorfer, Unterstützer aus dem Umland und Antifa ohne vorherige Absprache und gewaltfrei beteiligten.
Lasst Euch also nicht spalten und auseinanderdividieren! Tragt den Protest gegen das NPD-Zentrum gemeinsam, bunt, vielfältig und gewaltfrei auf die Straße und habt Spaß dabei!
ICH BIN AUCH ANTIFA!
Eschede, 25.9.21
Ansprache von Jürgen Uebel aus Bad Nenndorf auf der Demo vorm NPD-Hof in Eschede am 17. Dezember 2022.
Anmerkung der Redaktion:
Mit friedlichen und bunten Protesten gingen Jürgen Uebel, Vorstandsmitglied von „Bad Nenndorf ist bunt e.V.“, und seine Mitstreiter*innen erfolgreich gegen die rechte Szene vor. Dafür wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Am 25. September 2021 war Jürgen Uebel einer der Redner auf der Demo gegen das rechtsextreme Erntefest auf den NPD-Hof. In seiner Ansprache wendet er sich auch an die Bürgerinnen und Bürger in Eschede.
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Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der heutigen Demonstration gegen den NPD-Nazihof in Eschede, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten!
Mein Name ist Jürgen Uebel, und ich spreche hier für das Bündnis gegen Rechtsextremismus „Bad Nenndorf ist bunt“. Seit langem unterstützen wir die Escheder im Kampf gegen den Nazihof, genauso wie sie uns unterstützt haben gegen die zehn Jahre währenden sogenannten „Trauermärsche“ in Bad Nenndorf.
Der Widerstand und Kampf gegen die Aktivitäten auf dem Anwesen, das wir hier vor uns sehen, sind gut, wichtig und notwendig. Möglicherweise könnte eine flüchtige Beobachterin denken: Was für eine Gefahr soll denn von dieser Schrottimmobilie und den paar Hanseln hinter der hässlichen Umzäunung ausgehen? Ist es nicht viel besser, diese Verwirrten einfach zu ignorieren?
Ähnlich wurde auch bei uns in Bad Nenndorf von vielen gedacht, als die
sogenannten Trauermärsche von militanten Neonazis einmal im Jahr unsere Stadt für mehrere Tage lahmlegten. Es hat gedauert, bis große Teile der Einwohner:innen Bad Nenndorfs und der Lokalpolitik verstanden: Nazis interpretieren mangelnden Widerstand gegen ihre Aktivitäten als Zustimmung und fühlen sich in ihrem Wahn bestätigt, im Sinne des Volkes zu handeln. Wegschauen, Ignorieren und Tolerieren sind hier nicht gefragt, sondern genaues Hinschauen, Aufklären und Widersetzen!
Genau das machen etliche Bürger:innen aus Eschede und Umgebung, verschiedene Bündnisse und Initiativen, Kirchengemeinden und Politiker:innen. Das machen sie seit Jahren, hartnäckig und zielstrebig, mit hohem Aufwand und persönlichem Risiko für das eigene Leben – es sind hier schon mehrere Anschläge auf Nazigegner verübt worden!
Mehrmals im Jahr Demos zu organisieren, auf Propaganda-Aktionen und Anbiederungsversuche von Nazis in Eschede zu reagieren, Info-Veranstaltungen durchzuführen, das Thema immer wieder hochzuhalten, es in die Lokal - und Landespolitik zu tragen mit beispielsweise über 40000 Unterschriften für die Petition an den Landtag, Druck aufzubauen und der Versuchung zu widerstehen, sich all dem durch den Rückzug ins Private zu entziehen – das erfordert viel Energie und Enthusiasmus, viel Selbstvertrauen und Liebe zur Freiheit und Demokratie. Genau dafür möchte ich hier an dieser Stelle allen, die daran beteiligt sind, meinen allerhöchsten Respekt zollen und Ihnen und Euch ganz herzlich danken!
Wir haben in Bad Nenndorf in den Jahren 2006 bis 2016 im Kampf gegen die faschistischen sogenannten Trauermärsche erleben dürfen, wie wichtig Solidarität und Unterstützung auch von außen sind – ohne die aktive Teilnahme von Antifaschisten aus Niedersachsen und der ganzen Republik hätten wir nicht den Gegendruck erzeugen können, der letztlich zum Einknicken und Resignieren der Nazis in Bad Nenndorf geführt hat. Darum gehen mein Dank und Respekt an die vielen Eschede-Unterstützer:innen von außerhalb, an die Antifaschisten aus den Dörfern und Städten der näheren und weiteren Umgebung, die ein unverzichtbarer Bestandteil dieses langen Kampfes gegen den NPD-Hof sind.
Ich bin auch Antifa!
Lasst Euch nicht in gute und schlechte Antifaschisten spalten! Lasst nicht nach im Kampf gegen die Pläne für ein nationalsozialistisches Kampfgemeinschaftszentrum hier in Eschede! Denn genau darum geht es Manfred Dammann, dem ehemaligen Landesvorsitzenden der NPD Niedersachsen, und seinen faschistischen Mitstreitern. Dammann ist Erstunterzeichner der Proklamation des Völkischen Flügels der NPD, ebenso wie Manfred Börm, der regelmäßig auf dem Nazihof verkehrt, aktueller Landesvorsitzender der NPD ist und als Beisitzer in ihrem Bundesvorstand sitzt.
In dieser Proklamation von 2018 findet man unter anderem folgende Aussagen: „Der Völkische Flügel ist ein Zusammenschluss von Mitgliedern der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Freunden derselben und parteilosen Kräften …. Deutscher kann demzufolge immer nur derjenige sein, der deutsche Eltern hat, welche deutschen Abstammungsgemeinschaften als Nachfahren zuzurechnen sind oder in der ein Elternteil entsprechend deutsch und der andere Elternteil zumindest europider Abstammung ist ... Damit eine politische Kampfgemeinschaft funktionieren und erfolgreich wirken kann, sind grundsätzliche Gemeinsamkeiten nötig …. Zudem muss das notwendige Gemeinschaftsgefühl wiederhergestellt werden …. Durch eigene Projekte, Veranstaltungen, Schulungen, Medien und Sprecher, wird der Völkische Flügel aktiv, kreativ und konstruktiv am Parteigeschehen mitwirken.“
Nun wird auch klar, was Dammann meint, wenn er in einem YouTube-Video sagt: „Wir sind hier, weil wir eine ganz gewisse Idee verfolgen, weil wir dieses Eschede zu einem Gemeinschaftszentrum ausbauen wollen!“
Ein rassistisches, menschenfeindliches, antisemitisches und völkisches Kampfgemeinschaftszentrum soll es werden, und am besten ganz Eschede gleich mit. Dieses Leuchtturmprojekt der niedersächsischen NPD hat noch eine weitere besondere Bedeutung über die Ziele der Vernetzung in Norddeutschland und der Pflege von Kontakten im Rahmen der sogenannten Brauchtumsfeiern hinaus: Aktuell führt die NPD einen erbitterten internen Richtungsstreit um ihren Fortbestand und eine mögliche Namensänderung. Sebastian Weigler, regelmäßiger Gast auf dem Nazihof, Anmelder von NPD-Kundgebungen in Eschede, Beisitzer im NPD-Bundesvorstand und Bundesvorsitzender der Jungen Nationalisten, der Jugendorganisation der NPD, fordert massiv eine Umbenennung der NPD in „Die Heimat“.
Weigler, die JN und viele andere in der NPD wollen die alte NPD hinter
sich lassen, der Name sei verbrannt, sie verlangen einen Neuanfang unter neuem Namen. Verbunden ist dieser Neuanfang mit dem Fokus auf interne Ausbildung sowie Stärkung und Schulung der eigenen Strukturen. Hierbei soll auch der Nazihof in Eschede eine entscheidende Rolle als ausgebautes Schulungszentrum erhalten und bundesweit für die Strukturen der JN und der Heimat-NPD eine besondere Stellung einnehmen. Nicht zufällig lautet ein aktuelles NPD-Motto: Eschede ist unsere Heimat.
Der Fokus auf den Ausbau des Nazihofes in Eschede zum Zentrum einer erneuerten Heimat-NPD resultiert aus der katastrophalen politischen Lage der Partei. Sie hat laut einem Bericht des Spiegels binnen zehn Jahren mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Ende 2019 gehörten der Partei laut dem jüngsten vom Bundestag veröffentlichten Rechenschaftsbericht nur noch rund 3.300 Mitglieder an. 2009 seien es noch 6.700 Mitglieder gewesen, berichtet der Spiegel. Da die Bilanzen der Parteien erst mit teils mehrjähriger Verzögerung publiziert werden, dürfte die NPD seitdem weiter geschrumpft sein: 2021 zählte der Verfassungsschutz dem Bericht zufolge rund 3.150 Anhänger. Die Partei äußerte sich laut Spiegel nicht zu ihrer aktuellen Mitgliederzahl.
Neben einem anhaltenden Mitgliederschwund plagen die Partei kontinuierliche Wahlniederlagen und gravierende finanzielle Probleme. Aufgrund schlechter Wahlergebnisse verpasste sie zuletzt immer wieder den Anspruch auf staatliche Mittel. Eine sogenannte staatliche Teilfinanzierung erhalten alle Parteien, die bei der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen mindestens ein Prozent der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erreicht haben.
Seit 58 Jahren treibt die NPD ihr Unwesen in der deutschen Parteienlandschaft, saß in mehreren Landtagen. Zuletzt aber verharrte sie in der Dauerkrise. Bei sämtlichen Wahlen landete sie unter ferner liefen, bei der letzten Bundestagswahl reichte es zu gerade mal 0,1 Prozent. Ihre Mitgliederzahl sinkt beständig, finanziell steht die NPD vor dem Ruin.
Nun also alles auf null. Mission Neuanfang. Großmäulig erklärt der Bundesvorstand der JN auf seiner Homepage am 21.4.22, einen Tag nach Hitlers Geburtstag:
„Die JN wird nach dem anstehenden Bundesparteitag nicht mehr die Jugendorganisation der NPD sein. Entweder, weil das Laster des Parteinamens dann zeitnah abgelegt wird, oder weil eben dies nicht geschieht und wir uns von der Mutterpartei trennen. So stehen die Gemüter. Warum die Neuaufstellung essenziell notwendig ist, ist bekannt. Warum auch weitreichende personelle Wechsel notwendig sind, sollte ebenfalls bekannt sein."
Hierzu stellt die JN zwei Apelle:
1. "Erstens muss sich die Partei klarmachen, welche Strategie in den nächsten Jahren gefragt ist. Zielgruppe darf dabei nicht der Wähler, sondern muss der potenzielle Mitstreiter sein. Bevor überhaupt über Wahlerfolge nachgedacht werden darf, muss das alleinige Ziel die Gewinnung, Förderung und Ausbildung von produktiven, intelligenten Mitgliedern sein.
2. Zweitens muss sich die Partei mit der Frage auseinandersetzen, wann man über eine Auflösung spricht. Sollte sich in den nächsten zwei Jahren zeigen, dass die Neuaufstellung fehlschlug und sich nur der Name, aber nicht die Strategie und die Personen änderten, darf keine weitere Energie in dieses schwarze Loch fließen. Wir Junge Nationalisten unterstützen einen aufrichtigen Neuaufstellungsversuch der Mutterpartei und sind bereit, sie an den Puls der Zeit zu rücken.“
Gut gebrüllt, Löwe!
- Was aber passierte tatsächlich beim Bundesparteitag der NPD im Mai dieses Jahres? Der Antrag auf Umbenennung wurde nach langer Debatte knapp abgelehnt.
- Was sagt der NPD-Vorsitzende Frank Franz dazu? Trotz des Parteitagsbeschlusses könnten Kandierende seiner Partei bei Wahlen künftig unter dem Namen „Die Heimat“ antreten. „Das werden wir niemandem verbieten.“
- Was macht die Jugendorganisation JN? Sie trennt sich laut grummelnd nicht von der NPD.
Warum spreche ich hier vor den Augen und Ohren von Euch Antifaschisten und vor denen der Nazis auf dem Nazihof so ausführlich über das erbärmliche Hängen und Würgen der NPD?
Weil wir unseren Gegner analysieren und genau kennen müssen, wenn wir ihn besiegen wollen. Und unser Gegner befindet sich nicht in einer Position der Stärke und Zuversicht. Er befindet sich in einer Position der Schwäche und Spaltung, ist kurz vor dem Zerfall seiner bisherigen Organisationsstrukturen und vor dem finanziellen Ruin, er zerreibt sich an internen Grabenkämpfen, wobei er mühsam versucht, sein Gesicht zu bewahren und Stärke zu simulieren.
Das ist kein Grund für uns, zu triumphieren. Das ist ein Grund, sich noch mehr zu konzentrieren auf das, was wir wollen! Es ist ein Grund für uns, beharrlich weiter dieses Projekt Kampfgemeinschaftszentrum zu bekämpfen und dabei alle Möglichkeiten einzubeziehen, seiner Verwirklichung Einhalt zu gebieten:
Nutzen von Möglichkeiten auf rechtlicher Ebene, und hier ist das Bauamt in Celle positiv zu erwähnen, das bereits erfolgte illegale Baumaßnahmen auf dem Hof zurückbauen lassen will, weil sie ohne notwendige Genehmigung erfolgt sind. Dagegen klagt die NPD, und das dauert. Inzwischen verliert sie weitere Mitglieder, das Großprojekt kommt nicht voran, das Geld wird knapp. Die Nazi-Aktivisten sind genervt und fragen sich, ob sich das alles noch lohnt.
Die Tatsache, dass wir heute hier direkt vor dem Nazihof stehen, wurde vor Gericht erstritten. Wie sehr die Faschisten das stört, sieht man an ihren lächerlichen Versuchen, sich bei den Eschedern anzubiedern und gleichzeitig erpresserisch zu fordern: wenn Ihr nicht mehr vorm Hof demonstriert, stoppen wir auch unsere Minidemos in Eschede.
Das könnt Ihr vergessen, Nazis! Es läuft eben nicht bei Euch, und wir werden alles tun, damit es so bleibt. Nutzen von Möglichkeiten auf politischer Ebene, und hier sei noch einmal an die über 40000 Stimmen für die Petition an den niedersächsischen Landtag zur Schließung des NPD-Zentrums erinnert. Es wird demnächst eine Vernetzungsstelle für Betroffene von Rechtsextremismus und rechter Gewalt geben, damit stellt sich das Land Niedersachsen und die Gemeinde Eschede dem Problem und bietet Lösungen an. Ich bin mir sicher, dass die Escheder Lokalpolitik auf mögliche neuerliche Verkaufsversuche des Nazihofes besser und angemessener reagieren wird als bisher.
Und wir? Wir werden die Faschisten nicht in Ruhe lassen und weiterhin hier vor dem Nazihof in Eschede und überall dafür einstehen, ihnen keinen Fußbreit Raum zu gewähren, denn es gibt kein Recht auf Nazipropaganda.
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Sie kommen nicht durch – No Pasaran!
Vielen Dank für Ihre und Eure Aufmerksamkeit!