Rückblick
Rede
von Klaus Jordan vorm Lönsstein.
Rede von Klaus Jordan im Sommer 2015 vorm Lönsstein in Müden (Örtze)
"The Germany kann me furchtbar leckn!!"
Dichtet Arno Schmidt und setzt damit kurz und knapp einen Gegenpol zu Hermann Löns und sein verquastes Heide - Heimat - Heldengeschwurbel.
Warum dieses Ehrenmal?
Warum das Getöse um sein Grabstätte?
Warum diese unkritische Verehrung?
Warum die Hermann-Löns Vereine?
Warum dieser Kult um HL? Um einen Menschen, der vorgestern schon von gestern war!
Es ist doch gar nicht so, wie Madame Stael uns 1814 weismachen wollte, dass ein wilder Volksstamm Heidschnucken genannt die Gegend bewohnt.
Diese Region hat doch einiges vor zu weisen:
Wir haben die Luftbrückengedenkstätte und das Panzermuseum, die Raketenversuchsanlage in Trauen und die Rheinmetall, Bundeswehr und Natolager und die KZ-Gedenkstätte in Bergen-Belsen.
Müden als Perle der Südheide adelt sich mit dem Vermerk „Worpswede der Südheide „ und reklamiert stolz seine Ahnengalerie von Speckmann bis Rose, von Flebbe bis König.
Da passt doch HL wunderbar ins Bild!
Welch anderer Dichter oder Denker hat solch hohes Lied auf unsere Heide gesungen, wer sonst hat unsere Landschaft so wortmächtig veredelt?
Bleibende Bilder hat er entworfen und sie im Laufe eines Jahrhunderts in die Köpfe der Leute versenkt.
Mythisches und Mystisches stammten aus seiner Feder; virtuos spielte er mit Sehnsüchten, bediente Nationales, hob Heimat und Vaterland auf ein Podest.
Er hat das deutsche Gemüt nicht nur gelehrt, dass es romantisch bleiben und zugleich totschlagen kann, sondern dass es, wenn es das erste will, das zweite rechtzeitig tun muss, nach dem Motto aller Western: Wer als zweiter schießt ist verloren. So werden alle unterschiedslos abknallt.
Die Bären und Wölfe und das schwarze Gesindel, Römer, Franken und Raubritter, Zigeuner, Bettler und die Leute mit dem weißenStock, später dann die Welschen und die Engländer oder die aus dem Osten, oder die Polacken, Kroaten und Italiener, fremdes Volk halt.
Denn unbescheiden war HL auf keinen Fall.
Er will Menschen zeichnen, die mit sich selber und dem was man Schicksal nennt, den Kampf aufnehmen. … Eine Kraft in seiner Zeit sein, nicht eins seiner Produkte.
Kampf in welcher Form auch immer war ihm Glück, Leben schlechthin, denn „jeder ist sich selbst der Nächste. Besser fremdes Blut am Messer als ein fremdes Messer im eigenen Blut.“
Deutschland sollte eine neue Vergangenheit bekommen ein Grundgebälk künstlicher Traditionen.
Seit Darwin den „Kampf ums Dasein unter die Leute gebracht hat geht das große Individuum immer aus einem Kampf hervor und zwar siegreich.
Sein Vorbild; Der faustische Mensch der gottähnliche schöpferische Kultur hervorbringt.
Dazu braucht HL:
Die Heide unter freiem Himmel.
Eine germanische Abstammung.
Ein an Gehorsam gewohntes Volk.
Untermenschen und die Überzeugung, wir, die Guten, müssen die schlechten Triebe am Baum der Menschheit aus rotten.
Das alles kommt schön romantisch daher oder glorifizierend geschichtlich, possierlich oder derb, mit dem Ohr am Volk und dem Anspruch: „Ich bin froh, dass man bei meinen Büchern nicht zu denken braucht“.
So kann sich jede Gruppe nach eigenem Gusto einen Teil seines Gesamtwerkes herausfiltern ohne gleich mit roten Ohren dem einen oder anderen seiner Extreme zu verfallen.
Die Sangesrunden das Heideröslein, die Jagdgemeinschaften die literarische Hommage an ihr Tätigkeit, der alkoholselige Stammtisch den Sexismus, die Zoten und männlichen Allmachtphantasien, die Heimatvereine das Volksverklärende, alte und neue Nazis den offenen Rassismus, das Völkische und weil sich das alles so schön verkaufen ließ und lässt, setzt nicht zuletzt das Tourimarketing auf HL als Markenzeichen.
Spekuliert, dass nicht allzu viel von seinem völkischen Kram durchsickert und verwurstet ansonsten augenzwinkernd seine disparate Biografie als Alleinstellungsmerkmal und frisiert Geschichte zu Anekdötchen um nach dem Motto:
HL war zwar ein Trunkenbold und Möchtegernweiberheld, passionierter Zyniker und streitsüchtiger Neurotiker, aber so sind Künstler nun mal… Scheinbar Unschädliches wird herausgepickt und so gewinnt der Mümmelmann ein Eigenleben auf Schnapsflaschen und Werbeaufkleber und seine penetranten „Röslein rot“ Metaphern dienen als unterhaltsames Liedgut betrunkenen Kutschgästen oft genug als geselligkeitsstiftende Folie.
Da ist die Rose rot und der Mund süß, der Schnee ist weiß und die Blume gebrochen, die Heide ist braun und der Jäger wild. Der jagt allerlei, im Herbst rote Böcke, im Mai rote Röcke. (M.Weil)
Solcherart Vermarktung von Land und Leuten schert sich völlig bedenkenlos einen Dreck drum, ob man mit HL eine Figur bewirbt, die mit Fug und Recht als geistiger Brandstifter im Deckmantel völkisch heimatdichtlerischer Unschuld bezeichnet werden kann. Eine Figur die im historischen Kontext von Reichswehr, Freikorps und SA deren Terror schon im Vorgriff literarisch veredelte.
Denn HL ist ein Paradebeispiel dafür, wie innere Befindlichkeiten und Disparitäten zu äußerlicher Manifestation von Rassismus, völkischem Nationalismus und einem gewaltverherrlichenden Sozialdarwinismus mutieren.
Innere Abgründe, Selbstwertzweifel gepaart mit aufdringlichem Protzgehabe, Neid und Eifersüchteleien, Selbstüberschätzung und Angstbeißereien; da braucht man schon ein paar Schwächere: Frauen, niederes Volk, Minderwertige einerseits und andererseits auch gleich viele der anderen Kollegen und dichterischen Konkurrenten denen man mit Häme und Ignoranz jegliche Bedeutung abspricht.
„Im Grunde mag ich nur alte Kunst, Ägypter, Mittelalter, nach der Reformation ging es reißend bergab mit der Kunst, es fehlt das Grundgebälk, die Weltanschauung“.
Deutschland sollte eine neue Vergangenheit haben und HL wollte kräftig daran mit bauen. Die literarischen Manifestationen – sprich Dichtkunst - haben sich diesem Ziel unter zu ordnen oder noch besser diesem zur Blüte zu verhelfen.
Dabei war er rechthaberisch, arrogant und eigentlich tendenziell selbstzerstörerisch, oft genug verzweifelt an sich selbst.
Zum Überleben braucht es da schon ein paar Überhöhungen – sprich Helden – und um mit seinen Dämonen fertig zu werden, stürzte er sich in eine vermeintlich heile Welt:
Natur, Brauchtum und den tief im Germanischen verwurzelten Bauernschlag speziell der Heidjerart war sein bevorzugtes Terrain, welches er mal mehr, mal weniger virtuos beackerte.
Entsprechend seiner disparaten Gemütsverfassung lassen sich im Rückblick drei Gefühlszonen ausmachen:
Die expressiv rauschhafte – die melancholisch biedermeierliche und als Krönung die Stilisierung des strahlenden Überfliegers– arisches Heldentum im Gewand besagter Heidebauern.
Natürlich meint er die reichen und wohlhabenden Bauern und nicht den Pöbel mit seinen schiefen Gesichtern und den unsteten Augen. Nichts vom Elend der Tagelöhner, die in einer zugigen Kate vor einem kokelnden Torffeuer ihr schleimiges Hafersüppchen schlürfen und das frühe Nachtlager mit Flöhen, Wanzen und dem Rest der Familie verbringt.
Nichts vom Leid und der Ausbeutung jener Wanderarbeiter, die saisonal gebraucht in sgn. Schnitterkasernen untergebracht werden und die besitzlos der Willkür ihrer Dienstherren ausgeliefert sind.
Nichts von Krankheiten, Rückschrittlichkeiten, Inzucht und desolaten hygienischen Verhältnissen. Kein Klassendünkel trübt die heile Welt. Schicksalsschläge werden mannhaft bearbeitet, wer beim gradlinigen Dorfentwicklungsgefüge mal fehlt und ins Straucheln gerät hat zwei gesunde Hände, um sich aus dem Sumpf zu ziehen, einen blonden Schopf und oft genug auch die passende Frau, ebenso blond und mit rotem Rock.
Voller Stolz kann der deutsche Heidebauer auf seine germanische Vergangenheit zurückblicken, auf seine Tatkraft, seinen Mannesstolz.
Mit diesen Tugenden, festen Regel, unverrückbare Traditionen und ehrlicher Handarbeit auf der eigenen Scholle wird der Bauer zum Sinnbild des Volkes, zum Kulturträger und Rasseerhalter; die ihn umgebende Natur zur Kraftressource fürs Deutschtum; Leben in einer natürlichen Umwelt zum Volksgesundheitsbrunnen.
Doch ganz so straight entwickelte sich der Lönssche Kosmos doch nicht zu allen Zeiten.
Gradlinigkeit fordert er zwar ein;
sein eigener Gemütszustand aber schwankte oft genug zwischen „Spazierstöckchen und Doppellaufbockflinte, kleinstädtischem Dandygehabe und jagdlicher Naturburschenattitude“. (Thomas Dupke)
So kann ein Spaziergang mit ihm schon mal zur stressigen Angelegenheit werden - Tier- und Pflanzenwelt, Wetter, das Atmosphärische – alle stürmt auf einen ein;
Da sprosst und schwillt, zirpt und schmettert, quarzt und brunzt es, da stiebts und sausts, glimmerts und flimmerts, die Mägdelein haben ihre roten Röcke an, die Jäger grüne, der Bach ist flink und das Wasser gut, die Sonne ist schön rund und natürlich rot, der Himmel strahlt das es eine Lust ist und die Landschaft hat ihr blankes Kleid angezogen.
Alles ist voller Jauchzen und Jubeln, die anschwellende Naturseligkeit treibt zur Ekstase, bis auch der letzte deutsche Gartenzwerg eine heiße Hose bekommt, sein Zipfelmützchen in die Luft wirft und mit erstickender Stimme sehnt: Natur, oh Natur, ich komme!
Aber HL denkt auch ganz pragmatisch an seine eigenen Schwellkörper verborgen im jagdlichen Outfit und lässt vielerlei sexuelle Anspielungen mitunter auch der derben Art auf seine Verehrerschar los:: "Lass mich deinen Leib umfangen, wilde Dirne, küsse mich" oder "Entdämme Deines Busens Wellen, die du so grausam eingezwängt".
Und prahlerisch verkündet er sein Credo: "Ein Mann wie ich braucht jede sieben Wochen eine andere Geliebte." Dabei sind Weiber für Löns keine "gar keine Vollmenschen", denn sie hätten "keine Seele, sondern nur einen Uterus".
Obwohl ihm ungewollt dämmert: „Schuld an seiner privaten Misere ist die Emanzipation der Frauen. Frauen die sich seinen Launen und Wünschen widersetzen und tatsächlich in ihrer persönlichen Eigenheit wahr und ernst genommen werden wollen.
Doch HL ist eine gespaltene Persönlichkeit – neben dem ekstatischen Rausch sucht er die besinnliche Tiefe, das urwüchsig Beständige, das Wahre im Menschen, die altehrwürdige unverfälschte Volksseele, will : „Urmensch sein in der Urnatur“, baut sich seine eigene sichere Welt!
Dafür liefert er natürlich – getreu seinem Anspruch ein völkisches „Grundgebälk“ zu zimmern, die entsprechenden Bilder.
Da sitzen behaglich nach erledigtem Tagwerk der Bauer mit seiner Familie und dem Gesinde in der mollig warmen Stube vereint vor einem bollernden Kachelofen.
Das Klappern des Spinnrades verrät die nimmermüden Hände der Frauen und die Kinder lauschen verzückt den Erzählungen der Altvorderen, die Hände tief vergraben im Fell der schlafenden Hunde.
Geschichten aus grauen Vorzeiten, als Hexen und Gespenster die Heide unsicher machten, Erbauliches aus Heimatkalendarien oder religiösen Traktaten bestimmen das abendliche Zusammensein umwölkt von feinem Tabakrauch der Männer und dem ehrwürdigen Geruch alten Holzes.
Trautes Heim, Glück allein – der Biedermeier quillt aus allen Poren – hier ist der Herr noch Herr, der Knecht Knecht und die Frau? Ja, die verbringt ihre Tage arbeitsam an der Seite ihres Mannes und sorgt für sein geruhsames Zuhause. Gleichsam Schulmeister und Gärtnerin, Doktor und Magd sorgte sie, dass alles unter ihren Händen auf das Beste gedeiht. Da blühen die Blumen ganz wundersam, die Rosen wachsen, der Efeu klettert und die liebe Sonne scheint und ja natürlich blitzt auch der rote Rock.
In dieser spitzwegerischen Biedermeieridylle werden die Treueschwüre gesponnen:
Die Treue zur Heimat, zum König, zur Tradition und zum Brauchtum,
hier wird das Menschenbild gewoben das Hurra schreit wenn es gegen das Fremde geht, gegen die anbrandenden Horden, wenn das Vaterland , der Hof, die Scholle verteidigt werden muss mit Mistgabel und dem Dreschflegel., dem Knüppel oder dem Schermesser.
Sturmfest und erdverwachsen.
Doch zurück in die Lönssche Mythenfabrik.
Was in den abendlichen Erzählrunden an Menschen und bildnerischen Gerüsten gebaut wird findet eigentlich erst im dritten Teil seines Befindlichkeitskosmos zum finalen Höhepunkt.
Hier in seinem „Wehrwolf „ kann er endlich zur Tat schreiten:
Da kann er das welsche Blut spritzen lassen, dass es eine Freude ist,
da kann er die Unterschiede verschwinden lassen, zwischen dem Kampf der Hirsche ums Revier und dem Krieg der Völker untereinander, zwischen der lustigen Hasenjagd und der blutigen Jagd auf Menschen,
da kann er das Märchen vom umzingelten Vaterland suggerieren, das mit allen Mitteln um sich schlagen muss und
er kann seinem „rohesten Gelüste“ nachgehen, “mit der Waffe in der Hand“ wo man das Weiße im Auge sehen kann beim Gegner,“ oder wie es sein Bruder im Geiste – Ernst Jünger – ausdrückt, der vom Wert einer Elementarkraft faselte, „wenn zwei Menschen im Taumel des Kampfes aufeinanderprallen, … zwei Wesen, von denen nur eines bestehen kann“.
Ich spare mir die unappetitlichen Einzelheiten aus seinem Wehrwolf und zitiere Oskar Ansull:
„Bauerntum aus dem Geiste Löns ist in diesem Roman ein wild zusammen gekochter Mythos von ausgedachten Schlagetots, die für das nationalradikale Weltbild vorbildlich knüppeln, morden und schlachten.
Der Wehrwolf glorifiziert ein brutales Heidentum, das in einem orgastischen Blut- und Gewaltkult schwelgt und jene fatale Wendung zum Primitiven einschlägt, die in ihrer germanische Renaissance den lautstarken Beifall der Nazis fand.“
Zum Heldentum stößt die mystische Verklärung. Zur Überhöhung der prophetische Wunsch.
„Ich bin Teutone hoch vier … jedes Volk wird jetzt stramm national und wir sollen‘s nicht? Wir haben gerade genug mit Humanistik, Nationalaltruismus und Internationalismus uns kaputt gemacht, sosehr, daß ich eine ganz gehörige Portion Chauvinismus sogar für unbedingt nötig halte. Natürlich paßt das den … Juden nicht und darum zetern sie über Teutonismus. Das aber ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. (1910)
Da wird HL endlich rund und schließt ab mit seiner innerlichen Zerrissenheit und kann dann konsequenterweise auch endlich den Heldentod sterben, fernab aller weiteren blutigen Verantwortlichkeiten.
Und plötzlich wird einem nachdenklichen Menschen auch etwas bewusster, wieso so viele Deutsche zu Mittätern an all den Naziverbrechen wurden, warum so viele ein derartiges Verbrecherregime bereitwillig unterstützten, warum so viele Menschen wegschauten, wenn der Nachbar abgeholt wurde, warum ein Krieg so „normal“ erschien.
Mit dem Wehrwolf im Kopf kann man auch wohlgemuht Juden erschlagen oder diese slawischen Untermenschen, kann fröhlich Jagd machen auf die Tatern sprich Zigeuner und das restliche niedere Volk und dann mit leuchtenden Augen seine Heldentaten feiern.
Originalton Harm Wulf, dieser blonde Raufbold, der alleweil lachte:
„das war ein Spaß! Was haben wir die krummen Hunde geweift! So Stücker zwanzig habe ich allein vor den Brägen geschlagen, das es nur so ballerte … aber was sein muß, muß sein und ich schlafe so gut als vordem …“
Aufs Schweineschlachten kommt Reinemachen.
Und das alles nach dem Motto:
„Helf dir selber, so helft dir unser Herre Gott“
Es lebe die fröhliche Verrohung des deutschen Gemüts
Man muss ja nicht gleich jeden Gedenkstein entfernen, wie die Agnes Miegels Büste im Bad Nenndorfer Kurpark.
Mein Vorschlag: über den Stein ein großes rosarotes Kondom stülpen als Sinnbild für nicht gewollte Empfängnisse und als Schutz vor geistesverwirrenden Geschlechtskrankheiten.